Ernährung

Ungesunde Süßstoffe – Oder: Die bittersüßen Nebenwirkungen, die man lieber verschweigt…

Erfahrungen aus der Naturheilpraxis von René Gräber

René Gräber
René Gräber

Wer abnehmen oder sein Gewicht halten will, der denkt darüber nach, kalorienreichen Zucker durch Süßstoffe zu ersetzen.

Denn diese enthalten bei gleicher Menge weniger Kalorien oder aber sind deutlich süßer als Zucker, so dass man zum Süßen nur einen Bruchteil der Menge benötigt, die sonst für Zucker benötigt wird. Und weniger Kalorien = weniger Zunahme beim Körpergewicht – so die mathematische Ernährungsgleichung.

Bildnachweis: 123rf.com – powerofflowers

Die angebliche heile Welt der Süßstoffe bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE)

Ein prominenter Anhänger dieser mathematisch-mechanistischen Beurteilungsweise ist die DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung). Auf deren Webseite gab es noch 2014 einen Beitrag, dessen Titel bereits alles aussagte: “Süßstoffe — süß und sicher”.

In diesem Beitrag wurde den süßenden Stoffen eine Art „General-Absolution“ erteilt, indem die Ernährungsfachleute zum Beispiel Aspartam  für unbedenklich erklärten.  Es wurde pauschal behauptet, dass die Substanz in KEINEM Zusammenhang mit „potenziell unerwünschten Wirkungen wie Kopfschmerzen, Allergien, Epilepsie oder Krebsentstehung“ steht.

Süßstoffe werden als Substanzen gelobt, deren Vorteil es ist, „praktisch kalorienfrei“ zu sein. Mittlerweile (Jahr 2020) ist dieser “DGE-Süßstoff-Jubel-Beitrag” von deren Webseite verschwunden. Stattdessen fanden wir dann einen Beitrag “Süßstoffe in der Ernährung” in dem wir u.a. zu lesen bekamen:

“Auch nach der Zulassung erfolgt bei Bedarf eine kontinuierliche Überprüfung der Süßstoffe, in der ihre gesundheitliche Bewertung von Expertengremien hinterfragt wird. So wurden beispielsweise mutmaßliche Zusammenhänge zwischen Aspartam und potenziell unerwünschten Wirkungen wie Kopfschmerzen, Allergien, neuroendokrinen Veränderungen, Epilepsie oder der Tumorentstehung nicht bestätigt und die gesundheitliche Unbedenklichkeit der angegebenen Höchstmengen wiederholt bekundet.”

Wir werden uns die Aussagen der DGE für später “merken”. Übrigens verlinke ich die DGE-Beiträge nicht mehr, da Seiten vom Netz genommen werden und die Links dann ins Leere laufen.

Um es kurz zusammenzufassen: Bei der DGE ist die Welt der Süßstoffe noch in Ordnung, wenn man nicht über die „akzeptable tägliche Aufnahmemenge“ (ADI) hinaus dosiert. Leider gibt es keine ADI-Werte auf dieser Seite, was die Aussagen nicht vertrauenswürdiger erscheinen lässt. Damit dürfen wir uns fürs Erste unsere ADI-Werte selbst schnitzen.

Im Beitrag “Süßstoffe in der Ernährung” (Stand 2020) wird ganz klar auf die Frage, ob Süßstoffe dick machen, geantwortet, dass das nicht der Fall sein kann, sondern:

Im Gegenteil: Süßstoffe können im Rahmen von Gewichtsreduktionsprogrammen sinnvolle Hilfsmittel zur Reduktion der Energieaufnahme darstellen“.

Wir erfahren auch etwas über die ADI, die (man glaubt es kaum!), für Aspartam-Acesulfamsalz als „ohne Beschränkung“ angegeben wird. Auch DAS werden wir uns merken.

Auf die Frage nach möglichen Gesundheitsrisiken (Nebenwirkungen) antwortet die DGE in gewohnter Manier, dass alles bewiesen sei und keine gesundheitlichen Gefahren zu erwarten seien.

Und für Diabetiker eignen sich die Süßstoffe angeblich auch sehr gut, da „Süßstoffe folglich die Blutglucosekontrolle, die Kariesprophylaxe und bei bewusstem Einsatz die Gewichtskontrolle unterstützen können.“ Wir merken uns auch dieses Märchen.

Und da ich die Sache gerade mit den Süßstoffen für besonders bedenklich halte, habe ich das auch in meinem Buch ausführlicher dargestellt: “Wie Zucker uns krank macht…”

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Zurück aus dem Märchenwald der gesunden Süßstoffe

Zurück aus dem Märchenwald der DGE und ihren Einschätzungen von Aspartam und anderen Süßstoffen, möchte ich auf einen älteren und bereits mehrfach aktualisierten Beitrag von mir hinweisen: Krank durch Süßstoff Aspartam?

Dort beziehe ich mich auf eine ganze Reihe von ernstzunehmenden Studien, die unter Aspartam mehr als nur „normale“ Probleme gesehen haben. Da fällt es einem schwer, zu glauben, dass die DGE für diese Substanz eine ADI (=ohne Beschränkung) empfohlen hatte (2014) und für das Aspartam-Acesulfamsalz (2020) ebenfalls keine Beschränkung.

Wenn dann noch ausreichend Glutamat als Geschmacksverstärker dazu kommt, dann bestehen noch bessere Chancen, die Fettdepots aufzufüllen, wie eine neuere Studie an Mäusen aus dem Jahr 2013 hat zeigen können: Prediabetic changes in gene expression induced by aspartame and monosodium glutamate in Trans fat-fed C57Bl/6 J mice.

Aspartam und Glutamat scheinen nämlich Gene “einzuschalten”, die die Regelmechanismen für Glukosehomöostase und die Einflüsse auf Adipositas, Lebergewebe und Fettgewebe kontrollieren.

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Höchstwahrscheinlich kann man diese Ergebnisse auch für den Menschen bestätigen, denn die Hinweise darauf mehren sich. 2017 veröffentlichten Forscher die Ergebnisse einer entsprechenden Untersuchung an Gewebe-Kulturen. Die Wissenschaftler entnahmen Stammzellen aus menschlichem Fettgewebe und behandelten sie mit Sucralose.

Der künstliche Süßstoff steigerte in den Zellen die Aktivität von Genen, die mit der Fett-Synthese und Entzündungs-Reaktionen im Zusammenhang stehen. Die Autoren folgern, dass die Kunstsüße beim Menschen zur verstärkten Bildung von Fettgewebe führt.

Fatalerweise kommen noch entzündliche Prozesse hinzu, die zusätzlichen Schaden anrichten wie beispielsweise Arteriosklerose.

Der Aufbau von Fetttröpfchen in den Zellen war in dem Versuch auch direkt nachweisbar: Low Calorie Sweeteners Alter Glucose Uptake and Promote Adipogenesis in Human Fat Biopsy-Derived Mesenchymal Stroma Cells (MSCs) in-Vitro and in Subjects’ Subcutaneous Fat.

Die forcierte Arteriosklerose verursacht bekanntlich Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems. Wissenschaftler konnten einen direkten Zusammenhang zwischen künstlichen Süßstoffen und Schlaganfällen beobachten. Das ergab eine Literatur-Sichtung von Studien, die darauf deutliche Hinweise geben. Konkret stand hier Aspartam im Fokus: Sweet Surprises: An In-depth Systematic Review of Artificial Sweeteners and Their Association with Cerebrovascular Accidents.

Tier-Studien zeigen darüber hinaus, dass künstliche Süßstoffe nicht nur Übergewicht, sondern auch Hirn-Tumore und Blasenkrebs auslösen können. Diese Meinung vertreten Wissenschftler, die eine Meta-Studie über die Risiken von Aspartam und Co verfasst haben: Sugar substitutes: Health controversy over perceived benefits.

Auch hier wird klar, dass Süßstoffe in jeder Dosierung das Gegenteil dessen bewirken, was sie erreichen sollen.

Neues von der Süßstoff-Front

Es gibt eine besonders interessante Arbeit aus Israel zum Thema Süßstoff und deren Auswirkungen auf den Stoffwechsel. Diese Studie war vermutlich auch der Grund, warum die „Süddeutsche Zeitung“ (Süßstoffe unter Verdacht) zu diesem Thema Stellung nehmen wollte.

Es wurden immer wieder Stimmen laut, die die Hypothese unterstützen, dass Süßstoffe entweder über psychologische Mechanismen zu einer vermehrten Kalorienaufnahme führen oder über indirekte Beeinflussungen des Stoffwechsels zu einer ungünstigen Wirkung führen.

Eine Arbeit, die beide Aspekte miteinander vereint, erschien 2013: Artificial sweeteners produce the counterintuitive effect of inducing metabolic derangements. Diese Arbeit stellt fest, dass es immer mehr ernstzunehmende Hinweise dafür gibt, dass Süßstoffe das Risiko für eine exzessive Gewichtszunahme, metabolisches Syndrom, Diabetes Typ-2 und kardiovaskuläre Erkrankungen erhöhen können.

Eine Metaanalyse, in der 37 Studien zu dem Thema ausgewertet wurden, kam zu einem ähnlichen Ergebnis. Die Literatur-Sichtung belegt, dass die regelmäßige Aufnahme synthetischer Süßstoffe zu einem erhöhten BMI und zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führt.

Mangelnde Wissenschaftlichkeit und Signifikanz aufgrund zu geringer Fallzahlen kann hier keiner anmahnen. Alle Studien waren randomisiert und kontrolliert und umfassen insgesamt die Daten von über 400.000 Menschen: Nonnutritive sweeteners and cardiometabolic health: a systematic review and meta-analisis of rondomized controlled trials and prospective cohort studies.

Bestätigen konnten das US-amerikanische Physiologen, die den Aspartam-Verzehr mit Glukose-Intoleranz und Adipositas in Verbindung bringen konnten. Der entstehende Prädiabetes ist der erste Schritt zur echten Zuckerkrankheit.

Die physiologische „Notbremse“ des Körpers ist dann die Einlagerung des zum Fett umgewandelten Zuckers in den Fettzellen, wann immer es der Insulin-Spiegel erlaubt: Aspartame intake is associated with greater glucose intolerance in individuals with obesity.

Ähnliche Tatsachen förderten australische Forscher zutage. Sie verabreichten der Hälfte von 27 vorher gesunden Versuchsteilnehmern Sucralose und Acesulfam in einer Dosierung wie sie etwa in 1,5 Litern künstlich gesüßter Limo enthalten ist. Die andere Hälfte der Gruppe erhielt Placebo.

Beim Vergleich der beiden Gruppen zeigte sich, dass die Probanden unter Süßstoff-Konsum nach 2 Wochen einen leicht entgleisenden Blutzucker aufwiesen. Woran das lag, konnten die Forscher auch feststellen. Die Süßstoffe reduzierten die Ausschüttung des Glucagon-like Peptid 1 (GLP1).

Das Gewebs-Hormon wird im Dick- und Dünndarm produziert und steigert die Sezernierung von Insulin durch die Bauchspeicheldrüse. Wenn der GLP1-Spiegel nach Mahlzeiten nicht genügend ansteigt, fehlt es auch am zuckersenkenden Insulin. So formuliert Studien-Leiter Richard Young den Zusammenhang von Süßstoff-Konsum und der Entstehung von Diabetes Typ 2: Impact of artificial sweeteners on glcaemic control in healthy human.

Schnell traten Kritiker auf den Plan, die die geringe Teilnehmerzahl der Studie als nicht ausreichend für eine wissenschaftliche Aussage bezeichneten. Dies mag als solches vielleicht zutreffen, doch sind Hinweise auf den Wirk-Mechanismus mittlerweile zahlreich.

So wurde in Tierversuchen ein um 67 % erhöhtes Risiko für Diabetes Typ 2 durch Aspartam belegt. Die Wahrscheinlichkeit für die Erkrankung am metabolischen Syndrom war immerhin um 36 % höher: Low-Dose Aspatrame Consumption Differentially Affects Gut Microbiota-Host Mtabolic Interactions in the Diet-Induced Obese Rat.

Damit erfährt die heile Welt der Süßstoffe, wie sie von der DGE gemalt wird, eine weitere herbe Relativierung in Sachen Unbedenklichkeit und Sicherheit.

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Auch hier wird der psychologische Effekt der Aufnahme von süßen Nahrungsmitteln und deren Einfluss auf die Glukoseverwertung und -homöostase zitiert. Demzufolge kommt es zur Vorbereitung der Verdauung von Kohlehydraten, wenn die Zunge „süß“ signalisiert.

Da es sich bei den Süßstoffen aber nicht um verwertbare Kohlenhydrate handelt, kommt es zu einer „unphysiologischen“ Reaktion, zum Beispiel Insulinausschüttung, die dann zu vermehrtem Hunger führt.

Zurück zu unserer Arbeit der israelischen Forscher von 2014: Artificial sweeteners induce glucose intolerance by altering the gut microbiota. Hier kommt ein Aspekt zum Tragen, an den bislang noch niemand gedacht hat, zumindest nicht in diesem Zusammenhang: Süßstoffe könnten einen Einfluss auf die Darmflora haben und über diesen „Umweg“ zu einer ungünstigen Wirksamkeit führen, was den Einfluss auf Gewicht und Stoffwechsel angeht.

In der vorliegenden Arbeit untersuchten die israelischen Forscher Mäuse, die sie mit verschiedenen Süßstoffen versorgt hatten: Saccharin, Aspartam und Sucralose. Die Mäuse entwickelten innerhalb von 11 Wochen signifikant verschlechterte Blutzuckerwerte, was nicht zu erwarten war, da es sich hier ja nicht um Zucker handelte.

Die entstandene Glukose-Intoleranz muss als Vorstufe zum Diabetes gewertet werden. Auffällig war, dass eine Kontrollgruppe, die Zuckerwasser bekam, noch bessere Blutzuckerwerte zeigte als die drei Süßstoff-Gruppen.

Für die Autoren der israelischen Arbeit stand zu diesem Zeitpunkt fest, dass die Süßstoffe einen Einfluss auf die Darmflora der Tiere haben mussten. Also übertrugen sie Exkremente der Tiere aus den Süßstoff-Gruppen auf Mäuse, die keine eigene Darmflora aufwiesen.

Ergebnis: Bei Letzteren stiegen die zuvor normalen Blutzuckerwerte an bis in pathologische Bereiche. Eine Untersuchung der Zusammensetzung der Darmflora ergab eine Verschiebung der mikrobiellen Populationen. Die Populationen, die zugenommen hatten, zeigten eine verstärkte Stoffwechselfähigkeit, bei der andere mit aufgenommene Kohlenhydrate signifikant besser verwertet wurden.

Und das heißt unter dem Strich, dass mehr Kalorien resorbiert werden als unter physiologischen Bedingungen mit einer physiologischen Darmflora. Außerdem ist auch noch nicht klar, was es für den Stoffwechsel bedeutet, wenn die Resorption auf „Overdrive“ geschaltet ist.

Steht noch die Frage an, ob der Mensch sich wie eine Maus verhält oder ob diese Ergebnisse rein akademischer Natur sind. Denn nicht nur die DGE wird an dieser Stelle erklären, dass es keine Hinweise aus epidemiologischen Arbeiten gibt, die ein erhöhtes Risiko für Diabetes unter zum Beispiel Light-Getränken hat ausmachen können.

Aber auch hier scheint ein Mechanismus wirksam zu sein, der einer „Einheitslösung“ oder „one-size-fits-all-Anschauung“ der Ernährungswissenschaft widerspricht. Denn die Autoren der Arbeit mutmaßen, dass nicht alle Personen gleichermaßen auf Süßstoffe reagieren.

Wenn man davon ausgeht, dass selbst die Darmflora von Person zu Person so unterschiedlich ist, dass man von einem „bakteriologischen Fingerabdruck“ sprechen kann, da die Zusammensetzung der Populationen höchst individuell ausfällt, ist es nur logisch, dass auch die Ansprechbarkeit jeweils eine andere sein muss.

Für die Ernährungswissenschaft scheint es nur „die“ Darmflora zu geben, die bei allen Menschen identisch ausfällt. Und das ist mit absoluter Sicherheit nicht der Fall.

Gerade, weil es diese individuellen Unterschiede im Aufbau der Darmflora gibt und dieser Sachverhalt den israelischen Forschern nicht unbekannt war, starteten sie eine kleine, kleinste Miniatur-Studie mit 7 Probanden, die normalerweise keinen Süßstoff zu sich nahmen. Diese „Glorreichen 7“ wurden eine Woche lang mit Süßstoff versorgt, und zwar in Mengen, die den zuvor erwähnten ADI-Höchstwerten seitens der FDA entsprachen.

Ergebnis: Bei vier Teilnehmern verschlechterten sich die Blutzuckerwerte signifikant, was begleitet wurde von einer Veränderung der Darmflora, wie es zuvor auch bei den Mäusen zu beobachten war: Sugar substitues linked to obesity.

Die Ähnlichkeit der Ereignisse war so frappierend, dass eine Transplantation von Darmbakterien dieser Probanden auf keim- und bakterienfreie Mäuse bei denen zu den gleichen Stoffwechselsymptomen führte wie bei den Menschen zuvor.

Fazit aus dieser Arbeit: Es gibt einen signifikanten Einfluss der Süßstoffe auf die Darmflora bei Menschen und Mäusen, der aber nicht einheitlich ausfällt, sondern von der individuellen Zusammensetzung der jeweiligen Darmflora abhängig zu sein scheint. Damit bräuchte es einen Test, der diese Zusammensetzung ermittelt, damit man „ohne schlechtes Gewissen“ zu Süßstoffen greifen kann. Nein, das meine ich nicht wirklich.

Denn hier befinde ich mich schon mit einem Bein auf dem Pfad der Marketing-Menschen, die ein neues Produkt in der Röhre haben… den ultimativen Test für eine Süßstoff-Tauglichkeit. Der, falls es jemals so etwas geben würde, wird vielleicht mit seinen Aussagen die Leute ermitteln, die Süßstoff zu sich nehmen können, ohne einen großen Einfluss auf den Stoffwechsel über die Darmflora zu erfahren.

Aber die weiter oben diskutierten Mechanismen und Zweifel über die Sicherheit der Substanzen sind damit immer noch nicht vom Tisch.

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Dazu kommt, dass die Arbeit mit 7 Probanden keinen allgemein abgesicherten Aussagewert haben kann. Laut „Spiegel“-Bericht wies das Team aus Israel inzwischen einen Zusammenhang zwischen dem Konsum von Süßstoffen und einer veränderten Darmflora inklusive verschlechterten Blutzuckerwerten bei einer Gruppe von über 380 Probanden nach.

Bezeichnend auch die Aussage vom Leiter der Forschergruppe: „In keiner unserer Untersuchungen hatten Süßstoffe auch nur den Hauch eines positiven Effekts auf Tiere oder Menschen“.

Die Beeinträchtigung der Darmflora durch Süßstoffe belegt auch eine US-amerikanische Arbeit. In dem Versuch zeigte sich eine Veränderung der Darmflora bei Ratten. Bei den Tieren waren die positiven Keime um 50 % reduziert, nachdem die Nager den Süßstoff Splenda (Sucralose) bekommen hatten.

Ein weiteres Alarmsignal war die Zunahme zellulärer Entgiftungs-Faktoren: Splenda alters gut microflora and increases intestinal p-glycoprotein and cytochrom p-450 in male rats. Bereits seit 2010 ist aus Studien bekannt, dass sich auch beim Menschen die Darmflora von Diabetikern und Nicht-Diabetikern deutlich unterscheidet.

Zuckerkranke haben eine geringere Besiedlung mit Firmicutes-Bakterien, hingegen mehr Mikroben der Stämme Bacteroidetes und Proteobacteria im Darm. Der Zusammenhang zur Glukose-Intoleranz gilt hier als gesichert: Gut microbiota in human adutls with type 2 diabetes differs from non-diabetic adutls.

Niederländischen Forschern gelang es sogar, Diabetes Typ 2 durch Stuhlgangs-Transplantationen vom Nicht-Diabetiker zum Diabetiker rückgängig zu machen: Intestinal microbiotica and faeceral transplantion as treatment modaltity for insulin resistance and type 2 diabetes mellitus.

Wieder einmal entpuppt sich die Darmflora als ein entscheidender Regulator. Ich habe bereits zwei andere Artikel (noch nicht veröffentlicht) recherchiert und vorbereitet, die die Rolle der Darmbakterien bei der Wirksamkeit der Grippeimpfung beschreiben und den Einfluss auf die Immunität der Lunge.

Hier hatte sich gezeigt, dass die Darmbakterien eine zentrale Rolle spielen. Ein Fehlen der Bakterien resultierte in einer kaum wirksamen Grippeimpfung und einem Ausbleiben von Immunantworten in der Lunge bei Infektionen.

Das veränderte Spektrum der Bakterien-Arten ist beim Einfluss der Süßstoffe auf die Darmflora nur eines von mehreren Problemen. Das zeigt eine Studie der School of Life Sciences in Cambridge. Der Arbeit zufolge verändern Süßstoffe auch die einzelnen Bakterien-Zellen, die dadurch zu gefährlichen Erregern werden können: Artificial Sweeteners Negatively Regulate Pathogenic Characteristics of Two Model Gut Bacteria, E. coli and E. Faecalis. Das Forscher-Team um Dr. Havovi Chichger setzte Darm-Symbionten 3 Süßstoffen aus: Saccharin, Sucralose und Aspartam. Anschließend testeten die Wissenschaftler die Bakterien (Escherichia coli und Enterococcus faecalis) auf veränderte Interaktionen mit Zellen der Darmschleimhaut. Diese Untersuchung an den Epithelzellen vom Typ “Caco-2“ wurde in Zell-Kulturen durchgeführt.

Dabei stellten die Forscher fest, dass die mit Süßstoffen behandelten Bakterien sich nun fester an die Darmschleimhaut anheften als unbehandelte. Zudem drangen die Mikrobionten in den Zellverband ein und zerstörten dort Zellen. Dadurch können die Bakterien den endständigen Teil des Dünndarms sowie den Dickdarm “löchriger“ machen, also zum Leaky Gut Syndrom (LGS) führen. Noch gefährlicher wird es, wenn die Bakterien den Darm durchdringen und in den Blutkreislauf gelangen. Dann drohen systemische Entzündungsreaktionen sowie eine Blutvergiftung (Sepsis) mit multiplem Organ-Versagen, das tödlich endet.

Dass die künstlichen Süßungsmittel über eine Schädigung der Darmflora zu Übergewicht führen, belegt auch eine Meta-Studie aus 2017: The Association Between Artificial Sweeteners and Obesity. Vermittels der Darm-Hirn-Achse kommt es nach Ansicht der Forscher zu einer Störung der Glukose-Homöostase (Blutzucker-Gleichgewicht), wodurch die Entstehung des metabolischen Syndroms provoziert wird. Auf diese Weise kann Diabetes hervorgerufen werden, und alles nur, weil die Kunstsüße die Gesundheit verbessern sollte.

. . . doch der Widerstand regt sich schon

Während die Süddeutsche einen Harvard-Mikrobiologen, Peter Turnbaugh, zitiert, der die Arbeit der Israelis als „faszinierend“ und als „bei Weitem die gründlichste Analyse, die ich bisher gesehen habe“ bewertet, gibt es starken Gegenwind von einer anderen Gilde. Von wem? Nicht schwer zu erraten: von den Ernährungswissenschaftlern. Mal wieder.

Eine Ernährungswissenschaftlerin aus London zweifelt die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen an, obwohl die Übertragung der menschlichen Darmbakterien auf Mäuse (also genau anders herum) bei den Mäusen praktisch identische Reaktionen hervorgerufen hatte.

Aber solche Daten scheinen für die Ernährungswissenschaft ohne Signifikanz zu sein. Ein Forscher aus Cambridge kritisiert sofort die 7 Zwerge, so klein sei die Probandenzahl, dass man daraus keine Leitlinien ableiten könne. Aber auch hier wieder das interessierte Weggucken von den Kernaussagen der Israelis, die die Studie nicht gemacht hatten, damit man in Cambridge neue Leitlinien aufstellen kann.

Ein Ernährungswissenschaftler aus Aberdeen regt sich auf, dass der Titel der Arbeit falsch gewählt sei und doch von dem Fachblatt in dieser Form veröffentlicht worden sei. Grundlage für sein Meckern ist seine eigene „Erfindung“, dass Aspartam, Sucralose und Saccharin ähnliche Effekte auslösen können, „doch der Effekt sei bei Saccharin am größten gewesen“. Darum führt der Aberdeener seine Experimente nur noch mit Saccharin durch.

Diese Aussage ist wieder bezeichnend für die Qualität der Ernährungswissenschaft. Man sucht nur dort, wo die Effekte am deutlichsten sind. Es ist so, als wenn ich nachts meine Uhr verloren habe. Und weil es dunkel ist, suche ich nach meiner Uhr nur dort, wo es eine Straßenlaterne gibt.

Die Uhr habe ich aber 50 Meter von der Laterne weg verloren… Und weil der Aberdeener Ernährungswissenschaftler auf sein geliebtes Saccharin schwört, kümmern ihn die Ergebnisse der israelischen Forscher wenig.

Er ist nur an der Überschrift des Artikels interessiert, der so von dem Fachjournal nie hätte zugelassen werden dürfen. Dabei ist aus der israelischen Arbeit relativ klar hervorgegangen, dass alle mit Süßstoff versorgten Mäuse mehr oder weniger schlechtere Blutzuckerwerte aufwiesen.

Was den Ernährungswissenschaftlern auch nicht aufzufallen scheint, ist die Tatsache, dass die Süßstoffe einen Einfluss auf die Darmflora haben. Die eigenen Arbeiten, die sie im Sinn haben, untersuchen immer nur den Einfluss von Süßstoffen auf physiologische Parameter direkt. Und da schneiden die Süßstoffe immer besser ab, da sie einen kleinen oder gleich keinen glykämischen Index aufzuweisen haben.

Daher auch die arrogante Gelassenheit der Ernährungswissenschaft bei der Empfehlung von Süßstoffen bei Diabetes, Stoffwechselstörungen, metabolischem Syndrom etc.

Daher bin ich umso überraschter, wie dieses Thema von der Süddeutschen aufgearbeitet wird und die Rolle der Bakterien im Verdauungssystem beschrieben und eingeschätzt wird.

Dass hier der Ernährungswissenschaft mit ihrem krampfhaften Festhalten an industriefreundlichen Aussagen nicht entgegengewirkt wird, war zu erwarten. Aber ich erwarte auch nicht, dass diese Zeitung vom Mainstream-Paulus zum alternativen Saulus mutiert.

Alternativen zu Süßstoffen aus dem Gift-Labor

In den letzten Jahren hat sich sogenannter „Birkenzucker“ (Xylit, E 967) auf dem Lebensmittelmarkt etabliert. Freilich stammt das Produkt meistens aus Maiskolben oder  Buchenholzspänen. Der zu bevorzugende echte Birkenzucker steht am oberen Ende der Preis-Skala. Neben der Kalorien-Ersparnis von 60 % im Vergleich zu Rüben- oder Rohrzucker soll der Verbraucher von einer Senkung des Karies-Risikos profitieren. Zudem ist der glykämische Index niedriger als der der Saccharose.

Das Süßkraut (Stevia rebaudiana) enthält den bioorganischen Süßstoff Steviosid (E 960). Die Süßkraft übertrifft herkömmlichen Haushaltszucker bis zum 450-Fachen. Etlichen Studien zufolge soll das Glykosid viele gesundheitliche Wirkungen entfalten. Dazu zählen antioxidative, antimikrobielle, blutdrucksenkende Effekte. Die Verbindung unterstützt auch das Abnehmen und harmonisiert den Zucker- und Fettstoffwechsel: Stevia rebaudiana Bertoni: A Natural Alternative for Treating Diseases Associated with Metabolic Syndrome.

Honig ist im Zweifel  besser als künstliche Süßstoffe. Das betrifft zwar nicht so sehr den Kalorien-Gehalt, aber die positive Wirkung von Enzymen, Antioxidantien und sekundären Pflanzenstoffen sowie probiotische Bakterien: The Potential Role of Honey and its Polyphenols in Preventing Heart Diseases: A Review.

Melasse aus der Zuckerherstellung besteht zwar aus bis 60 % Zucker, ist ihm gegenüber aber im Vorteil wegen der enthaltenen Vitalstoffe wie Antioxidantien, Eisen, Magnesium, Kalium und B-Vitamine. Insgesamt meinen die Autoren einer Studie, Melasse wäre zum Abnehmen geeignet: Molasses extract decreases obesity caused by a high-fat diet, research suggests.

Fazit

Es kommt, wie es aussieht, mal wieder auf die Darmflora an, ob Süßstoffe „verträglich“ sind oder nicht.

Wer es genau wissen will, der vermeidet Süßstoffe. Denn sie haben keinen Nährwert und üben keine positiven Effekte auf die Physiologie des Menschen aus. Sie sind einfach nur süß. Und das ist eine Geschmacks- und keine Ernährungsfrage.

Keine Geschmacksfrage dagegen ist die Haltung der Ernährungswissenschaft zu den neuen Ergebnissen der israelischen Studie. Sie gibt beredtes Zeugnis von der Unwissenschaftlichkeit und Hilflosigkeit eines Wissenschaftszweigs, für den das Wort „Wissenschaft“ vollkommen unzutreffend ist.

Wenn eine „Wissenschaft“ über eine „DGE“ Empfehlungen gibt, Aspartam in unbegrenzt hohen Dosen täglich konsumieren zu können, dann grenzt das für mich an versuchter Körperverletzung (mit Todesfolge?). Von Empfehlungen bioorganischer Süßstoffe keine Spur! Damit kann man ja auch nicht so viel Geld verdienen…

Wenn man hier nach Studien fragt, die das belegen, dann fangen die Damen und Herren Ernährungsfachleute an, unter den Laternen nach ihren Uhren zu suchen oder meckern über unpässliche Überschriften von unliebsamen Veröffentlichungen. Hingegen sind die schädlichen Wirkungen der Süßstoffe durch unabhängige Wissenschaftler eindeutig und zahlreich nachgewiesen.

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Mehr zum Thema Zucker, Aspartam und anderen Süßstoffen finden Sie unter anderem auch in meinen Beiträgen:

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Kleine Anmerkung: Die Sache mit den “5 Wundermitteln” ist mit Abstand der beliebteste Newsletter, den meine Patienten gerne lesen…

Beitragsbild: 123rf.com – Alexander Raths

Dieser Beitrag wurde letztmalig am 14.06.2024 überarbeitet und ergänzt.

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