Geschichte des Heilfastens

Medizinisches Fasten in der Neuzeit

Erfahrungen aus der Naturheilpraxis von René Gräber

René Gräber
René Gräber

Aufgrund der genauen Beobachtung von Patienten während der Behandlung wurde festgestellt, dass der Einsatz von Hungerkuren, wie sie in der Antike durchgeführt wurden, auch heute noch sinnvoll ist. Das regelmäßige Überprüfen des Gewichtes, sowie die exakte Erfassung der eingenommen Speisen und Getränke, sind von großer Wichtigkeit.

Santoro Santorio

Als erster naturwissenschaftlicher Arzt nutzte Santoro Santorio (1561-1636) regelmäßige Aufzeichnungen zur Überprüfung des Stoffwechsels. Santorio war der erste Arzt, der Präzisionsinstrumente in der Medizin einsetzte. Im Jahre 1630 entwickelte er die erste Stoffwechselwaage, die eine genaue Studie des Stoffwechsels ermöglichte. Bereits im Jahre 1602 hatte er ein Pendel zur Messung der Pulsrate konstruiert.

Bei seinen Studien gewann er Erkenntnisse über den unmerklichen allmählichen Flüssigkeitsverlust durch Verdunsten aus der Haut. Sein Buch “De statica medicina aphorismorum” gilt als eines der bemerkenswertesten Werke seiner Zeit und wird auch heute noch gelesen. Seit 1736 gibt es auch eine Deutsche Übersetzung.

Die Badekuren von Johann Bauhinus

Nachdem dank Santorio die Gefahr des starken Austrocknens des Körpers bekannt war, ergänzten viele Ärzte ihre Hungerkuren mit speziellen Trink- und Badekuren. Das Baden hatte zudem den Nebeneffekt, dass dem Körper Wärme entzogen wurde, wodurch die Verbrennung der körpereigenen Substanzen gesteigert wurde.

Einer der Ersten, der eine solche Badekur genauer beschrieben hatte, ist Dr. Johann Bauhinus (1541-1613). Er war der Leibarzt des württembergischen Herzogs Friedrich I. Außerdem ist er einer der Mitbegründer des Kurbades Bad Boll. Über seine Badekuren schrieb er 1602 ein Buch mit dem Titel “New Badbuch und historische Beschreibung von der wunderbaren Kraft und Wirkung des Wunderbrunnens und heilsamen Bades zu Boll”.

Unter anderem gab Bauhinus die Empfehlung, zum Frühstück nur eine Kleinigkeit wie einen Löffel Suppe oder etwas Konfekt zu sich zu nehmen, denn der Magen sollte bei einer solchen Kur so leer wie möglich sein. Außerdem riet er dazu, wenig zu schlafen. Er war der Meinung, der Schlaf ziehe den Krankheitsstoff wieder in den Körper hinein, welcher durch das Wasser herausgezogen wurde.

In seinem Buch “Bad Boll Geschichte Gegenwart” beschrieb der Autor Günther Werner Jäckh, wie solche Badekuren durchgeführt wurden. Mit nüchternem Magen saßen die Menschen bis zum Kopf in einem Bottich – und das über mehrere Stunden. Zu den Badekuren wurden gleichzeitig Aderlässe durchgeführt. Auch heute noch ist die Wirksamkeit von Aderlässen bei Herzerkrankungen unbestritten.

Die Methode des Valsalva

Antonio M. Valsalva (1666-1723) kreierte die berühmte “Methode des Valsalva” bei der Behandlung von Herzerkrankungen. Seine Methode wurde in dem Buch “De sedibus et causis morborum” geschrieben von Giovanni Battista Morgagni, einem Schüler von Valsalva. Bei der Valsalva-Methode versucht der Patient kräftig auszuatmen, während er Mund und Nase verschlossen hält. Sie dient insbesondere zur Belüftung des Mittelohrs sowie zur Untersuchung der Beinvenen. Diese Methode wird auch heute noch zum Beispiel bei Tauchern zum Druckausgleich angewendet.

Die Behandlung der Fettsucht mit Hungerkuren und Badekuren

Den Briten Thomas Sydenham (1624-1689) nannte man den “englischen Hippokrates”. Er setzte die Hungerkuren und Badekuren bei einer ganzen Reihe von Erkrankungen erfolgreich ein. Ein sehr interessantes Buch zum Thema Fettsucht stammt von einem Landsmann Sydenhams: Malcolm Flemyng schrieb 1752 sein bekanntes Werk “Über die Natur, Ursachen und Behandlung der Fettsucht”.

Einen besonders guten Ruf hatte Hermann Boerhaave, ein bekannter Arzt aus Leyden. Er setzte diätische Maßnahmen nicht nur zur Heilung von Kranken, sondern auch zur Vorbeugung ein. Insbesondere kritisierte er das übermäßige Essen bei Gelehrten. Er sagte ihnen – sollten sie ihre Lebensweise nicht ändern – grauenvolle Beschwerden mit Verstopfung voraus. Von Boerhaave stammen eine Reihe exzellenter medizinischer Bücher, die auch heute noch ihre Verwendung haben. In seinem bekanntesten Werk “Institutiones medicae in usum annuae exercitationis” gibt er einen systematischen Abriss über die Lehrsätze der Medizin. Das Buch wurde in fast alle Sprachen übersetzt.

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Fasten im deutschen Sprachraum

Von Friedrich Hoffmann, einem deutschen Mediziner stammt das sehr verbreitete Buch: “Wie man schwere Krankheiten durch Mäßigkeit und Fasten kurieren kann”. Er lehrte Medizin an der Universität zu Halle und unter ihm promovierten 300 Mediziner, von denen viele zu Leibärzten oder Professoren wurden. Zudem entwickelte er die bekannten “Hoffmannstropfen”, ein Gemisch aus drei Teilen Ethanol und einem Teil Diethylether, welches unter anderem bei Schwächeanfällen, Neuralgien oder starkem Erbrechen angewendet wird.

Ebenfalls sehr bekannt war Samuel A. D. Tissot (1728-1797) ein Arzt aus Lausanne. Seine Bücher werden auch heute gelesen und anerkannt. Unter anderem schrieb er “Von der Gesundheit der Gelehrten”. Darin ging er besonders auf die Gefahren der Fettsucht bei übermäßigem Sitzen ein. Zur Verhinderung einer Fettsucht riet er zu regelmäßigem Fasten bei gleichzeitigem Trinken von viel Wasser. Besonders kohlensäurehaltigem Mineralwasser sprach er eine heilende Wirkung zu. Dabei nannte er die Mineralwässer Seltzer, von Schwalbach und von Pyrmont.

Als Erster machte Antoine L. Lavoisier (1743-1794) mittels einer naturwissenschaftlichen Methode auf die Bedeutung des Brennwertes bei Nahrungsmitteln aufmerksam.

Die Naturheilmethode

Als Begründer des Naturheilverfahrens gilt Christoph W. Hufeland (1762-1836). In den von ihm angewendeten Heilmethoden kamen neben der Diätethik und dem Wasser auch Licht, Wärme und reine Luft zur Anwendung. Seine Bücher “Makrobiotik” oder “Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern” sind auch heute noch sehr lesenswert.

In Frankreich sehr bekannt war Francois J. Broussais (1772-1838). Er war einer der Ersten, der Krankheiten nach ihren Symptomen einteilte. Unter anderem kam er zum Schluss, dass hauptsächlich der Magen-Darm Trakt für viele Krankheiten verantwortlich sei. Dabei seien insbesondere Veränderungen der “Gewebetemperatur” ein Bestimmungsfaktor von Krankheit oder Gesundheit. Um eine Erwärmung zu vermeiden, war seiner Meinung nach vor allem eine Entleerung von Nöten. Unter dem Einfluss von Broussais wurden Fastenkuren und Aderlässe in Frankreich populär.

Diät und Psyche

Der Mannheimer Internist Franz M. Mai (1742-1814) maß der psychosozialen Führung des Patienten eine besondere Bedeutung zu. Er gestaltete eine Form des Unterrichts mit Prüfungsfragen. Ein Kapitel handelte dabei “von dem Einfluss der Ruhe und Bewegung auf die Gesundheit des Menschen“. Eine der Fragen lautete zum Beispiel: “Welches sind die Folgen einer gar zu ruhigen, aber nahrhaften Lebensweise?” Diese und viele weitere Fragen sind in seinem Buch “Lebensplan und Gesundheitsführung” zusammengefasst. Die Schriften wurden u.a. in der medizinhistorischen Schriftenreihe des Boehringer Verlages in Mannheim veröffentlicht.

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Beitragsbild: 123rf.com – Seksak Kerdkanno

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