Allergie

Guter Dreck: Kinder brauchen Viren und Bakterien

Erfahrungen aus der Naturheilpraxis von René Gräber

René Gräber
René Gräber

Allergien sind „auf dem Vormarsch“. Aber niemand scheint zu wissen, warum die Zahl der Allergiker seit Jahrzehnten zunimmt.

Es gibt seit längerem die Hypothese, dass ein Zuviel an Sauberkeit/Hygiene hier mit eine Rolle spielen könnte. Dieser Effekt ist weniger für Erwachsene von Bedeutung als vielmehr für Kinder.

Denn (so die Hypothese): Es bleibt das notwendige Training für das Immunsystem in jungen Jahren aus, da es einfach nicht genug „Trainingspartner“ (=Stimuli durch Antigene) vorhanden sind, die in Bakterien, Pilzen und anderen Mikroorganismen und Feinstoffen vorkommen.

EXKURS: Seit Corona 2020 sieht es jedoch anders aus: Kinder gelten jetzt als “kleine Virenschleudern”, wie u.a. die FAZ am 2.5. berichtete. Ach? Die Kleinen werden jetzt also als “Überträger” und potenzielle Todbringer eingestuft? Wobei bekannt ist, dass COVID-19 bei Kindern (wenn überhaupt) nur sehr milde Symptome zeigt.

Was aber passiert, wenn wir Kinder längere Zeit in Quarantäne stecken? Und was passiert wenn die KiTas wieder öffnen? Hygiene-Orgien mit Desinfektionsmitteln und Abstandsregeln? Damit nimmt man den Kleinen die Möglichkeiten ein lebenslang stabiles Gesundheitssystem aufzubauen! Von denen Traumata die bezüglich “Mikroben-Angst” und “Ich-will-meine-Oma-nicht-anstecken” ganz zu schweigen.

Zurück zur These und Studien bezüglich des “guten Drecks”:

In der Schulmedizin gibt es Anhänger und Gegner dieser Ansicht. Und in der Tat gibt (beziehungsweise gab) es keine „evidenzbasierten“ Belege für diese Annahme.

Im Jahr 2010 erschien dann eine Arbeit aus der Ruhr Universität Bochum: Arabinogalactan isolated from cowshed dust extract protects mice from allergic airway inflammation and sensitization. 

Diese Arbeit konnte einen ernstzunehmenden Hinweis liefern, warum Kinder vom Land signifikant weniger an Allergien leiden als Stadtkinder. Sie identifizierten ein sogenanntes Heteroglycan, ein Polysaccharid, das sich „Arabinogalactan“ nennt und in Pflanzen und Mykobakterien vorkommt.

Eine Behandlung von dendritischen Zellen von Mäusen mit diesem Polysaccharid resultierte in einer autokrinen Produktion von IL-10. Dieses Interleukin ist bekannt dafür, dass es Immunvorgänge bremst und ein wichtiger Garant ist, dass das Immunsystem nicht in einem selbstzerstörerischen Prozess endet (wie es bei einer Autoimmunerkrankung der Fall ist). Den Mäusen wurde darauf hin das Arabinogalactan als „Nasenspray“ verabreicht.

Resultat: Es ergab sich ein protektiver Effekt gegen Allergien. Denn die Tiere, die an einer Reihe von Allergien litten, zeigten nach der Behandlung signifikant weniger Entzündungen der Atemwege, allergische Hautreaktionen und Überreaktionen in den Atemwegen.
Die Autoren berichten weiter, dass dieser Effekt besonders ausgeprägt ist bei Arabinogalactan aus Gras.

Denn eine Behandlung mit Arabinogalactan aus Lärche oder Akazie resultierte in keinerlei anti-allergischer Wirksamkeit. Grund dafür sind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit strukturelle Unterschiede beim Arabinogalactan, die durch eine Kernspinresonanzspektroskopie ermittelt wurden.

Und da Gräser nun einmal auf dem Land und weniger in der Stadt vorkommen, sind Kinder, die von klein auf damit in Berührung kommen, diesen Polysacchariden fast ganzjährig ausgesetzt und somit geschützt.

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Dieses war der erste Streich…

Im Gegensatz zur Schulmedizin und Pharmakologie zeichnet sich die Biologie des Menschen (und anderer Lebewesen) dadurch aus, dass es nur selten einen einzigen Mechanismus gibt, der eine bestimmte biologische oder biochemische Reaktion hervorruft. In der Regel sind mehrere Mechanismen für bestimmte Vorgänge verantwortlich. Daher sind diese Vorgänge aufgrund ihrer Komplexität nur sehr schwer zu beschreiben und zu erkennen.

So ist auch das Immungeschehen keine geradlinige Angelegenheit, die man mit einigen wenigen Substanzen aus der Pharmaküche nach eigenem Gutdünken verändern kann. Bislang gab es außer Kortisonpräparaten oder Antihistaminika kein beeindruckendes Konzept, Allergien zu verhindern, sondern immer nur symptomatisch zu behandeln. Aber da sind die Allergien schon in „voller Blüte“. Und die Nebenwirkungen dieser Präparate sind bestens bekannt und gefürchtet.

Eine brandneue Arbeit (Farm dust and endotoxin protect against allergy through A20 induction in lung epithelial cells) hat nämlich jetzt einen weiteren Effekt entdeckt, der ebenfalls in der Lage zu sein scheint, Allergien zu verhindern. Aber dazu müssen wir wieder raus aufs Land und in den Kuhstall.

Die Autoren berichten ebenfalls, dass Kinder, die auf dem Land beziehungsweise in der Landwirtschaft groß geworden sind, deutlich weniger an Allergien und Asthma zu leiden haben als vergleichsweise Stadtkinder. Grund dafür ist ein Enzym, das A20 genannt wird. Dieses Enzym ist ein zentraler Regulator für Immunerkrankungen.

Es gehört zur Gruppe der TNF-alpha (Tumornekrosefaktoren) Zytokine. Fehlt dieses Enzym zum Beispiel aufgrund eines Gendefekts, dann bestehen „gute Aussichten“ auf die Ausbildung von einer Reihe von Immunerkrankungen, wie  Morbus Crohn, rheumatoide Arthritis, systemischer Lupus erythematodes, Psoriasis und Diabetes Typ-1 (The ubiquitin-editing enzyme A20 (TNFAIP3) is a central regulator of immunopathology).

A20 verändert und kontrolliert zudem ein Protein, das Ubiquitin heißt. Dieses Protein kontrolliert und verändert seinerseits Proteine und stellt eine Art „Qualitätskontrolle“ für neu entstandene Proteine dar. Sollten Proteine aus der Proteinbiosynthese hervorgegangen sein, die falsch gefaltet sind (und damit biologisch nicht brauchbar oder sogar schädlich) oder andere Fehler aufweisen, dann ist dieses Ubiquitin in der Lage, diese fehlerhaften Proteine zu neutralisieren.

Mit anderen Worten: Fehlt es an A20, dann gibt es auch zu wenig Ubiquitin und damit einen entsprechend mangelhaften Kontrollmechanismus.

Die Autoren der Studie fanden heraus, dass bestimmte Endotoxine in geringen Dosierungen dieses A20 aktivieren können. Der Mechanismus, der hinter dieser Aktivierung steckt, ist bislang nicht bekannt. Die Arbeit mit Mäusen zeigte, dass das Endotoxin die entzündungsfördernden Zytokine in den Epithelzellen der Atemwege reduziert und somit eine Immunantwort verhindert. Wurde A20 blockiert, dann verschwand dieser Effekt mit der Konsequenz, dass es wieder zu allergischen Reaktionen kam.
So weit, so gut…

Die Frage bleibt: Was hat das mit dem Kuhstall zu tun? Antwort: Diese Endotoxine werden von Bakterien produziert, die im Stallstaub und einer landwirtschaftlichen Umgebung vorkommen. Durch das Einatmen der Staubpartikel und damit der Bakterien kommt es jedes Mal zu einer „inhalativen Immunisierung“ mit geringen Dosen von bakteriellem Endotoxin. Und dieses kann dann in den Atemwegen das Enzym A20 aktivieren und somit den Schutzmechanismus auslösen.

Was auch neu an dieser Erkenntnis ist, das formuliert einer der Autoren der Arbeit. Er sagt, dass bislang immer geglaubt wurde, dass die eigentliche Schlüsselreaktion im Immunsystem selbst zu suchen ist. Wie es aber aussieht, stimmt dies zumindest nicht für allergische Atemwegserkrankungen. Vielmehr spielen hier Strukturzellen in den Atemwegen die Hauptrolle. Der Forscher sagt weiter: „Wir brauchen diesen Umwelteinfluss, um das Zellgewebe zu beruhigen, damit es erkennen kann, was gefährlich ist und was nicht.“

Schutzimpfung gegen Asthma?

Diese Frage stellt sich der „Spiegel“ (wieder einmal, da Impfungen das Lieblingsthema dieser Zeitschrift sind). Offensichtlich will man hier nicht verstehen, worauf es bei dem Aufbau dieser Schutzfunktion ankommt. Der Koautor brachte es schon auf den Punkt: Wir brauchen diesen UMWELTEINFLUSS. Er sagte nicht: Wir brauchen eine Impfung…

Das heißt mit anderen Worten, dass die Applikationsweise hier einen nicht unerheblichen Einfluss auf den Aufbau der Schutzwirkung zu haben scheint. Und genau das ist auch der kritische Punkt bei fast allen Impfungen. Infektionen werden nur in den seltensten Fällen durch Injektionsnadeln verursacht. Es ist somit mehr als fraglich, ob eine „Impfung“ diese Aktivierung von A20 bewerkstelligen kann.

Nicht zuletzt geht es hier auch um vollkommen andere biologische Vorgänge als bei der Immunisierung. Hier erfolgt keine Immunisierung mit Antigen-Antikörper-Reaktionen, keine Desensibilisierung, sondern eine Aktivierung eines Enzyms mit entzündungshemmenden Eigenschaften. Daraus eine Schutzimpfung „schnitzen“ zu wollen benötigt schon eine gediegene Portion Unverständnis und medizinideologischer Verbohrtheit (spiegel.de/wissenschaft/medizin/allergien-staub-aus-kuhstall-schuetzt-a-1051323.html).

Fazit

Die Hypothese von zu viel Sauberkeit, vor allem während der Kindheit, und dem späteren Leidensweg als Allergiker scheint mehr und mehr zur These/Theorie zu „mutieren“. Wir haben jetzt zwei Entstehungswege kennengelernt, die beide mehr als logisch erscheinen. „Leider“ gibt es dazu noch keine Ansätze, hier neue Produkte für die Pharmaindustrie in Aussicht zu stellen, obwohl der übereifrige „Spiegel“ hier gerne den Vorreiter abgeben möchte.

Fazit vom Fazit: Ich schicke meine Kinder lieber auf den Bauernhof als dass ich ihnen mit einer Spritze hinterherrenne. Denn so ein Bauernhof hat mehr zu bieten als „nur“ die Schutzfunktion vor Allergien. Die Spritze hat weder Schutzfunktion, noch hat sie die Qualitäten eines Bauernhofs. Ich überlasse sie gerne allen „„Spiegel“-Gläubigen.

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Beitragsbild: fotolia.com – alexander raths

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