Die Pharmaindustrie und die Lebensmittelindustrie haben einige Gemeinsamkeiten: Häufige Skandale, bei denen man sich dann dumm stellt und erst einmal alles ableugnet.
Viel später dann (und wenn es nicht anders geht) wird dann reagiert, um weiteren Schaden für die eigene Branche und Firma zu begrenzen.
Bei der Pharmaindustrie gab es die Skandale um Valproinsäure, Avandia, Vioxx, Lipobay, Koate etc.
Und der Lebensmittelindustrie vertrauen auch immer weniger Menschen. Kein Wunder angesichts solcher Dinge wie Dioxin in Eiern (seit 2017 auch Fipronil in Eiern, ein Insekten„schutzmittel“) oder Glutamat und zahreichen weiteren „Spezialitäten“, die ich bereits in anderen Beiträgen aufgegriffen hatte:
- MARS: Jetzt als Tierfutter? Sondermüll? Oder doch: Lebensmittel?
- Burger nicht besser als Hundefutter
- Billige Nahrungsmittel teuer bezahlt
- Gift im Fisch – Ethoxyquin in Lachs und Co.
Die Lebensmittelindustrie hat aber noch weitere Spezialitäten im Angebot wie zum Beispiel Benzol in Erfrischungsgetränken. Auf YouTube ist ein Beitrag vom NDR/Markt aus dem Jahr 2014 zu bewundern, der dieser Frage nachgegangen ist. Ich habe den Beitrag auf Youtube nicht verlinkt, weil diese sowieso bald wieder „verschwinden“.
„Erfrischungsgetränke“ aufgepeppt
Wer hier glaubt, dass hier irgendwelche Exoten unter den Erfrischungsgetränken sich einen derben Spaß mit dem Konsumenten erlauben, der liegt vollkommen falsch. Fun-One, Gerolsteiner, Christinen Brunnen etc. sind Gegenstand dieser Diskussion.
Markt lies 20 verschiedene Erfrischungsgetränke im Labor auf Benzol testen. Denn Benzol ist krebserzeugend und in Lebensmitteln verboten. Benzol und seine Metabolite schädigen die Chromosomen und rufen dadurch Mutationen hervor, die zu entarteten Zellen führen können.
Bei welchen Konzentrationen und Mengen diese Wirkung eintritt ist nicht bekannt. Vielmehr vermutet man, dass nur wenige Moleküle schon ausreichend sein können, um den Prozess der Tumorbildung im Gang zu setzen. Dies wird auch im Beitrag erwähnt.
Mich erinnert dies an die unglaublich dogmatisch geführte Diskussion um die Wirkung und Wirksamkeit der Homöopathie. Zahlreiche Schulmediziner und andere „Experten“ wollen regelmäßig glaubhaft machen, dass die wenigen Moleküle der Ursubstanz in homöopathischen Arzneien keine Wirkung entfalten können, da diese ja nicht hoch genug dosiert seien.
Benzol scheint eine nicht-homöopathische Substanz zu sein, die aber dennoch in ähnlichen Konzentrationen zu bösartigen Auswirkungen führt. Aber dies nur mal am Rande…
Obwohl es keine Grenzwerte für Benzol in Getränken gibt, gibt es Grenzwerte für Benzol im Trinkwasser. Hier sind maximal 1 µg/Liter erlaubt, obwohl man weiß, dass bereits weit geringere Mengen schon kanzerogen sein können. Wie man sieht, scheint es sich hier um eine weitere Form des evidenzbasierten Verbraucherschutzes zu handeln.
Die Hersteller der Erfrischungsgetränke erweitern diesen Verbraucherschutz laut Ergebnisse des Labortests um ein Beträchtliches:
- „Fitness Cherry“ aus einem Hamburger Penny Markt enthielt 1,5 µg;
- Gerolsteiner „Weißtee“ und „Birne“ enthielten 2 µg;
- Gerolsteiner „Grüntee“ und „Traube“ 2,2 µg;
- Gerolsteiner „Rooibostee“ und „Pfirsich“ 2,7 µg
Alle Gerolsteiner Getränke stammten aus einem Rewe Markt in Hamburg.
Fun-one Zuckerfrei von Edeka war hier fast der Spitzenreiter mit einem Wert von 5,6 µg. Ein anderes bei Edeka erhältliches Erfrischungsgetränk, der Multivitaminsaft von Christinen Brunnen, enthielt sogar 6,8 µg.
Die Firma Gerolsteiner (siehe Kommentar Heike Görres) meldet sich weiter unten in den Kommentaren zu Wort und nimmt dazu Stellung, was die Firma bereits seit 2013 / 2014 geändert hat.
Und die Behörden schauen zu…
Wenn es um den Verbraucherschutz bei homöopathischen Produkten und Naturheilmitteln (siehe zum Beispiel Heilpilze auf der Abschussliste) geht, dann sind die entsprechenden Behörden blitzschnell mit Verordnungen und Beschränkungen bei der Hand.
Wenn EIN Heilpraktiker im Verdacht steht nicht ganz „ordentlich“ gearbeitet zu haben, werden Forderungen seitens Ärzteschaft laut, einen ganzen Berufsstand zu verbieten (=eliminieren).
Wenn es aber darum geht gefährliche Substanzen wie Benzol zu regulieren, dann schlafen sich die Behörden lange und gemächlich aus, wenn dieser Dauerschlaf der Industrie zugute kommt. Diesem Eindruck kann ich mich jedenfalls nicht erwehren…
Denn laut Markt-Bericht wissen die Behörden schon seit 2005, dass es zur Bildung von Benzol in Getränken kommt beziehungsweise kommen kann, wenn diese Getränke Benzoesäure enthalten.
Diese Säure kann als der Konservierungsstoff Natriumbenzoat, ein Salz der Benzoesäure, den Getränken beigefügt sein. Enthalten diese Getränke dann noch zusätzlich Vitamin C, dann kann es zur Interaktion der beiden Säuren führen, was in der Bildung von Benzol endet.
Die einzige Aktion beziehungsweise Reaktion auf diese Funde seitens der Staatsgewalt war eine Anordnung an die Landesuntersuchungsämter, einschlägige Produkte zu untersuchen.
Nach zwei Jahren zeigte sich, dass von 220 Proben, 79 Proben Benzol enthielten.
Dies veranlasste die „Wirtschaftsvereinigung alkoholfreie Getränke“ anzukündigen, zukünftig auf Benzoesäure zu verzichten. Dies klingt ermunternd, was sich allerdings schnell relativiert, da längst nicht alle Hersteller in diesem Verband organisiert sind.
Und da es von Seiten des Gesetzgebers auch keine gesetzliche Regelung in Form von Verboten gibt, sind die entsprechenden Maßnahmen zur Reduzierung oder Entfernung von Benzol ein freiwilliger Freizeitspaß der Getränkehersteller.
Nachdem man also trotz Benzol in Erfrischungsgetränken von staatlicher Seite aus alles getan hat, der armen Industrie nicht auf die Füße zu treten, geht es an den „Verkauf“ von Erklärungen für scheinbar geeignete Maßnahmen seitens der Behörden an die Verbraucher.
Erstens erklärt das Verbraucherministerium eine freiwillige Verzichtserklärung für eine vollkommen ausreichende Maßnahme. Zweitens verzichtet die Industrie zwar auf Benzoesäure, aber nicht auf Natriumbenzoat.
Nicht jeder kennt sich in Chemie aus und weiß, dass man hier den Teufel mit dem Beelzebub vertauscht hat. Ähnliche Tricks kennen wir auch von Glutamat, dass angeblich als Geschmacksverstärker in keinem industriell gefertigten Produkt mehr anzufinden ist.
Nicht alle wissen, dass Hefeextrakt im Prinzip ein anderes Wort für Glutamat ist, dessen Nutzung aber die Angabe der Inhaltsstoffe auf den Verpackungen von unliebsamen Vokabeln befreit.
Und so kommt es wie es kommen muss: Die behördlichen Maßnahmen zeigten dann auch einen durchschlagenden Effekt. Denn ein zweiter, von Markt durchgeführter Test zeigte zum Beispiel bei dem eben zitierten Multivitaminsaft von Christinen Brunnen einen neuen Wert, der sich bei 20 µg/Liter eingependelt hatte, also eine fast Verdreifachung des ursprünglichen Werts.
Alternativen und Widerstände
Der Bericht lässt Experten zu Wort kommen, die behaupten, dass Benzoesäure oder Natriumbenzoat nicht dringend notwendig sind, sondern dass hier Alternativen zur Verfügung stehen, wie zum Beispiel veränderte Produktionsverfahren.
Leider geht der Bericht nicht näher auf diese Alternativen ein. Wie dem auch sei, mit und ohne Alternativen – wer könnte behaupten, dass es Alternativen zu Benzol im Getränk gäbe? Denn wer die Homöopathie abschaffen will, der sollte erst einmal Benzol aus seinem Sortiment entfernen.
Hersteller stellen sich stur…
Aber das scheint eine Forderung zu sein, die auf entschiedenen Widerstand zu stoßen scheint. Denn die Hersteller stellen sich dumm oder stur oder beides.
Der Hersteller von „Fitness Cherry“ (1,5 µg Erfrischungsbenzol) behauptet (Zitat): „Für eine höchstmögliche mikrobiologische Sicherheit bei stillen Erfrischungsgetränken ist die Verwendung von Natriumbenzoat unumgänglich“.
Man könnte diesen Satz aus der Märchensprache in ein realistisches, logisches Deutsch so übersetzen: „Für eine höchstmögliche Kostenersparnis bei der Produktion von stillen Erfrischungsgetränken ist die Kontaminierung derselben mit Benzol unumgänglich“.
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Noch einfacher macht es sich Gerolsteiner…
Die Firma leugnete wohl das Vorhandensein von Benzol in seinen Produkten. Trotzdem will man dort in der Zukunft ganz auf Konservierungsstoffe verzichten. Aber warum denn, wenn doch alles in Ordnung ist?
Und haben wir nicht soeben gehört/gelesen, dass genau diese Konservierungsstoffe „unumgänglich sind“? Unten in den Kommentaren haben wir bereits eine Stellungnahme der Firma Gerolsteiner, die die Rezeptur bereits 2013 / 2014 verändert haben will.
Laut Verbraucherzentrale Bremen taugen die diskutierten Maßnahmen, wie freiwilliger Verzicht, Austausch von Konservierungsstoffen und dergleichen, rein gar nichts, da die freiwilligen Maßnahmen nur dann von den Herstellern in Angriff genommen werden, wenn sie dem ökonomischen Interesse nicht in die Quere kommen. Und da sieht es nicht besonders rosig aus.
Hier wirkt nur ein definitives Verbot seitens des Gesetzgebers, das Benzol und Benzol produzierende Substanzen in den Getränken definitiv verbietet.
Aber hier hat der Gesetzgeber nicht einmal ein adäquates Verbot für Trinkwasser zustande gebracht, das ja, wie oben bereits erwähnt, bis zu 1 µg/Liter Benzol enthalten darf, eine Menge, die nur Sicherheit vorgaukelt.
Verbraucher, die sich selbst schützen müssen
Muss der Verbraucher sich wohl wieder einmal selbst schützen – wenn er das kann. Es gibt zwar eine Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel. Aber wenn der Verbraucher zum Beispiel Glutamat vermeiden will, aber nicht weiß, dass Hefeextrakt im Prinzip das Gleiche ist, wie kann er sich dann vor Glutamat schützen?
So auch hier bei dem Konservierungsstoff Natriumbenzoat. In der Liste der Inhaltsstoffe auf der Flasche wird man häufig diesen Stoff nicht finden. Dafür aber E 211, die Kennzeichnung für den Lebensmittelzusatzstoff Natriumbenzoat!
Damit hätte der Hersteller die Namen der in die Kritik geratenen Substanz vermieden, ohne die Substanz vermieden zu haben. Wo bitte geht es hier zum Märchenland?
Edeka und andere Discounter haben angekündigt, die Sache im Auge zu behalten – was immer das heißen soll. Christinen Brunnen hat nach dem Bericht von Markt sein Produkt freiwillig vom Markt genommen.
Das könnte ein Grund zur Hoffnung sein, dass sich auf diesem Gebiet schnell und gründlich etwas tut. Oder wird es wie so häufig nur ein Einzelfall bleiben?
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16. November 2017 um 18:41
Sehr geehrter Herr Gräber,
Sie berichten auf Ihrer Website zu „Benzol in Erfrischungsgetränken“ und beziehen sich auf die Wiederholung einer NDR/Markt-Berichterstattung aus dem Jahr 2014.
Gerne informieren wir Sie, dass Gerolsteiner die Bedenken seiner Konsumenten ernst nimmt und bereits seit Juni 2013 die Produktion von Gerolsteiner Moment optimiert und die Konservierung mit Benzoesäure durch das Verfahren der Pasteurisierung und durch weitere technologischen Anpassungen im Füllprozess ersetzt. Außerdem haben wir unser gesamtes Gerolsteiner Moment-Sortiment auf eine neue Rezeptur umgestellt. Statt Tee-Extrakt verwenden wir seitdem aufgebrühten Tee.
Die im April 2013 im Auftrag des Senders NDR vorgenommenen Analysen hatten ergeben, dass die Gerolsteiner Moment Getränke rund zwei Mikrogramm pro Liter Benzol enthielten.
Das sind zwei Millionstel Gramm pro Liter – der Wert liegt damit weit unterhalb des international anerkannten WHO-Richtwertes für Trinkwasser von 10 Mikrogramm/Liter. Benzoesäure ist ein Konservierungsstoff, der in natürlicher Form z. B. in Früchten wie Preiselbeeren, aber auch in Milchprodukten vorkommt.
Bei Fragen sind wir gerne für Sie da,
freundlicher Gruß
Heike Görres
Gerolsteiner Brunnen
Antwort René Gräber:
Sehr geehrte Frau Görres,
herzlichen Dank für Ihre Stellungnahme und den Bericht zu ihren Maßnahmen.
Ich werde im obigen Beitrag auf Ihren Kommentar hier unten verweisen.