Lebensmittel mit dem Bio-Siegel werden längst nicht mehr nur von einer ökologisch engagierten Minderheit gekauft. Auch die Discounter haben bereits vor Jahren den Gesundheitstrend erkannt und ihr Warensortiment um viele Produkte aus kontrolliertem Anbau erweitert, die das Label „Bio“ tragen. Alle wollen 100 % Bio und das hat weit reichende Rückwirkungen auf den weltweiten Anbau umweltverträglicher, gesunder und chemiefreier Agrarerzeugnisse.
Aber ist Bio tatsächlich immer Bio?
Die zahllosen Siegel scheinen die Verbraucher eher zu verunsichern, als über ökologischen Landbau aufzuklären. Längst reichen Obst, Gemüse, Fleisch, Milch und Käse der rund 35.000 deutschen Biobauern nicht mehr aus, um den Bedarf der Verbraucher zu decken.
Das heißt: Ökologisch angebaute Nahrungsmittel müssen aus Fernost importiert werden. Lange Transportwege mindern dabei die Qualität hinsichtlich Frische und Vitamingehalt, belasten Umwelt und Atmosphäre durch zusätzlichen CO2-Ausstoß.
Hinzu kommt, dass die Produkte aus dem Ökolandbau nicht unbedingt immer gesünder sind als Nahrungsmittel aus konventionellem Anbau.
Bei der Herstellung von Bioware wird auf Konservierungsstoffe verzichtet, was die Haltbarkeit erheblich verkürzt. Diese Fristen werden in der Regel als zu lang bemessen, mit der Folge, dass so mancher Schinken oder Käse bereits beim Kauf verdorben ist. Auch beim Kauf von Bio-Kaffee oder Bio-Tee ist oftmals Vorsicht geboten. Durch wochenlangen Schiff-Transport ist die Keimbelastung der Ware relativ hoch. Schimmel und Ungeziefer sind die unliebsamen Begleiter der Ware aus Südamerika oder Asien. Lebensmitteltests brachten es an den Tag: Hinsichtlich Geschmack und Frische schneidet konventionelle Ware leider oft besser ab.
Beim Kauf von Biowaren ist daher immer zu differenzieren: Sind die Produkte auch aus heimischem Anbau zu erhalten, sollte man ihnen den Vorzug geben. Kaffee und Tee hingegen werden nun einmal in Übersee produziert.
Aber auch das europäische Bio-Siegel – grüne Ähre auf blauem Grund – und das deutsche Bio-Siegel – grünes Sechseck mit dem Schriftzug „Bio“ – stehen für Produkte, die der EU-Öko-Verordnung entsprechen. Der Tierschutz steht bei dieser Verordnung nicht an oberster Stelle. Die privatwirtschaftlichen Bio-Siegel stehen für größere Haltungsflächen und den Verbot tierquälender Maßnahmen (Elektroschocks etc.). Das EU-Siegel erlaubt den Landwirten auch mehr Zukauf von Futtermitteln wie Soja- und Fischmehl. Die politischen Vorgaben gestatten daneben eine höhere Stickstoffdüngung (Kunstdünger, Gülle). Genetisch veränderte Lebewesen und technisch-synthetische Pestizide dürfen in der Produktion gar nicht verwendet werden. An diesem Punkt gleichen sich die EU-Richtlinien und die Vorschriften der Privat-Verbände.
“EU-BIO“ ist gut, “Privat-BIO“ ist besser
Das (überholte) deutsche Bio-Siegel und das europäische Label stellen sicher, dass der Begriff “Bio“ gesetzlich geschützt ist. Im Gegensatz zu anderen Begriffen wie “naturrein“ oder “kontrolliert ökologisch“ besteht also beim Begriff “Bio“ eine staatlich überwachte Garantie, dass die Anforderungen gemäß der EU-Öko-Verordnung eingehalten werden.
Wer Produkte mit dem EU-Siegel kauft, hat sich für den Mindest-Standard entschieden. Das ist besser als nichts, noch besser allerdings sind Artikel mit den privatwirtschaftlichen Abzeichen. Die Produktion und die Qualität der Waren kontrollieren die entsprechenden Verbände. Die Artikel in Bio-Supermärkten und kleinen Bio-Läden überwacht der Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN), wenn die Unternehmen zum Verband gehören. Der BNN hat strenge Sortimentsrichtlinien für seine Mitglieder herausgegeben, die eingehalten werden müssen. Einige Bio-Marken, wie beispielsweise Demeter, sind aber auch in “konventionellen“ Supermärkten zu finden.
Es wird empfohlen, nach Lebensmitteln Ausschau zu halten, die gleich mit zwei Bio-Labels versehen sind: mit dem europäischen oder deutschen Bio-Siegel sowie mit einem strengeren Siegel der privaten Bio-Verbände oder Bio-Marken (Demeter, Bioland, Biokreis, Biopark, Naturland, Ecovin, Gäa, IFOAM).
Sind die gesundheitlichen Vorteile von „Bio“ erwiesen?
Wie sich Bio-Ernährung auf den Körper auswirkt, haben Wissenschaftler in zahlreichen Studien untersucht. Eine spanische Arbeit zielte auf die Belastung mit Pestiziden ab, die durch „normale“ und „Bio-Kost“ entsteht. 32 Freiwillige verzehrten eine Woche lang „normale“ Lebensmittel und weitere fünf Tage nur „Bio“. In jedem Abschnitt der Studie testeten die Forscher den Urin der Teilnehmer auf sechs Pestizid-Abbauprodukte. Außerdem bestimmten die Wissenschaftler die Rückstände von 204 Pestiziden in den von den Teilnehmern verzehrten Lebensmitteln.
Die Urin-Tests ergaben, dass nach der Bio-Ernährung nur drei der Pestizid-Metabolite nachweisbar waren, aber nur in einer niederschwelligen Menge. In den Bio-Produkten konnten die Forscher viel geringere Konzentrationen gefährlicher Ackergifte nachweisen als in den „konventionellen“. Das zeigt deutlich, wie sehr Bio-Kost die Belastung mit gefährlichen Chemikalien senken kann (Effects of an organic diet intervention on the levels of organophosphorus metabolites in an adult cohort).
Es ist auch längst erwiesen, dass Pestizide für eine Reihe von Krankheiten (mit)verantwortlich sind. Dazu gibt es in der wissenschaftlichen Literatur viele Beiträge. Eine Zusammenfassung von etlichen solcher Arbeiten ist eine Meta-Studie, die Wissenschaftler durchgeführt haben. Darin wird gezeigt, welche Erkrankungen die Agrarchemikalien fördern. Beispiele dafür sind Krebs, hormonelle Störungen und allergische Syndrome, wie etwa Asthma (Exposure to pesticides and the associated human health effects).
Eine ganz andere Frage ist, ob Bio-Lebensmittel den gleichen Vitalstoffgehalt haben als die „Normal-Kost“. Auch dazu gibt es eine Meta-Studie, in der Forscher 343 andere Studien unter die Lupe nahmen. Tatsächlich kam heraus, dass Bio-Lebensmittel mehr Antioxidantien enthalten als andere Produkte. Diese sekundären Pflanzenstoffe schützen uns vor gefährlichen Stoffwechselabfällen. Speziell die positiv wirkenden Flavonole, Flavanone und Flavone, Phenolsäuren, Stilbene, und Anthocyane sind in Bio-Waren in höheren Konzentrationen enthalten.
Das Schwermetall Cadmium hingegen ist den biologischen Produkten sehr viel weniger zu finden. Wahrscheinlich liegt das daran, dass Verunreinigungen durch Phosphat-Dünger nicht stattfinden. Auch mineralischer Stickstoff wird in den Ackerboden der Bio-Feldfrüchte nicht eingebracht. Damit zusammen hängt wohl, dass die Bio-Lebensmittel einen niedrigeren Protein-Gehalt aufweisen als die überdüngten Vergleichs-Produkte. Nun sind Proteine zwar wertvolle Nährstoffe, doch ein „etwas Weniger“ finden die Autoren der Meta-Studie nicht als Nachteil. Schließlich ernähren wir uns meistens viel zu üppig.
Kann die ganze Welt „Bio“ essen?
Oft ist das Argument zu hören, nur die industrielle Landwirtschaft könne die wachsende Weltbevölkerung ernähren. Auch darüber haben sich Wissenschaftler Gedanken gemacht und die Frage überprüft. In einer Abriet kommen Forscher zu dem Schluss, dass das Argument umgekehrt lautet: Biologische Anbau-Methoden erlauben sogar die Produktion des Dreifachen dessen, was die „normale“ Landwirtschaft hervorbringt. Vor allem dann, wenn die Gründüngung durch spezielle stickstoffliefernde Pflanzen eingesetzt wird, können in der sogenannten „Dritten Welt“ viel größere Ernten erzielt werden (Organic Farming Can Feed The World, Study Suggests).
Was ist mit Non-Food-Artikeln?
Die Inhaltsstoffe von Kosmetika und Körperpflegemitteln dringen über die Haut in den Körper ein und sollen das zum Teil auch. Deswegen ist es beim Erwerb der Artikel aus dieser Produkt-Kategorie ebenfalls sinnvoll, Bio-Produkte zu kaufen. Doch hier lauert ein Stolperstein für den Verbraucher: Der Begriff “Bio“ unterliegt keinem gesetzlichen Schutz.
Es gibt jedoch einige privatwirtschaftliche Bio-Siegel, denen man im Großen und Ganzen vertrauen kann. Dazu zählt das BDIH-Siegel vom Bundesverband der Industrie- und Handelsunternehmen für Arzneimittel, Reformwaren, Nahrungsergänzungsmittel und kosmetische Mittel e. V. Der Verband kontrolliert die Produkte der angeschlossenen Unternehmen nach mehreren Kriterien. Verboten sind künstlich hergestellte Inhaltsstoffe und Erdölverbindungen. Der Großteil der pflanzlichen Rohstoffe muss aus kontrolliertem Bio-Anbau stammen und genetische Manipulation darf in der Herstellung nicht stattgefunden haben. Tierversuche und Rohstoffe aus Schlachttieren sind ebenfalls nicht erlaubt.
Der BDIH ist dem internationalen COSMOS-Verband angeschlossen, der entsprechende Vorschriften für seine Mitglieder erlassen hat. Daher sind die Kosmetik- und Pflege-Produkte mit dem Cosmos-Siegel ebenfalls empfehlenswert.
Ebenfalls etwas “mehr Bio“ als das EU-Siegel indizieren die Labels von Ecocert, Naturland und Natrue. Veganer sind auf der sicheren Seite, wenn sie Produkte mit dem Siegel “HSC Leaping Bunny“ wählen.
Auch bei Textilien keine rechtliche Garantie für “BIO“
Für Textilien gibt es ebenfalls keine gesetzlichen Vorgaben für die Bezeichnung “Bio“. Doch beim Kauf sollen einige Industrie-Labels helfen, die als Anhalts-Punkte für die richtige Entscheidung dienen. Dazu zählen das Siegel “Made in Green“ des Verbandes OEKO-TEX, der vor allem für keine oder sehr geringe Schadstoffbelastungen steht. Die Labels von OEKO-TEX sollen daneben auch sozialverträgliche und nachhaltige Produktions-Weisen garantieren. Das Siegel existiert in vier Stufen: Klasse I für Babys, Klasse II für Unterwäsche, Klasse III für Oberbekleidung und Klasse IV für Polster, Gardinen und Tischdecken. Umweltverbände kritisieren die Kennzeichnung jedoch als nicht weitreichend genug.
Das Label “Global Organic Textile Standard“ (GOTS) geht einen Schritt weiter. 95 % der Rohstoffe müssen aus Bio-Naturfasern bestehen. Darüber hinaus kontrolliert der Verband die Produkte auf Schadstoffe und gibt an, Sozialverträglichkeit und Nachhaltigkeit zu garantieren. Stiftung Warentest bescheinigte dem Siegel 2019 ein hohes Maß an Transparenz.
Das strengste Bio-Label bei Textilien heißt “IVN-BEST“. Der Verband kontrolliert einmal jährlich die gesamte Produktions-Kette auf die Anwendung verbotener Chemikalien. Auch die Belastung mit Schadstoffen ist am striktesten limitiert. Technisch-synthetische Fasern sind, bis auf wenige Ausnahmen, verboten. Die verwendeten Naturfasern müssen aus ökologischem Landbau stammen. Zusätzlich müssen für alle Mitarbeiter/innen die Vorgaben der Internationalen Arbeitsorganisation der UN eingehalten werden.
Noch so ein Fall: Bio-Putzmittel
Auch in der Produkt-Kategorie “Reinigungsmittel“ hat sich weder die Bundesregierung noch die EU bisher zu gesetzlich verbindlichen Definitionen hinreißen lassen. Dafür gibt es in diesem Bereich ebenfalls Öko-Siegel von Industrie-Verbänden. Das “schwächste“ und oft kritisierte Siegel heißt “ECO Garantie“ in Deutschland und Belgien. Erdöl ist als Grundstoff für die Herstellung nicht vollständig ausgeschlossen, hingegen sind Tierversuche und genetische Manipulationen in Entwicklung und Produktion verboten. Nicht zugelassen sind auch Duft- und Farbstoffe der chemischen Industrie. Die Richtlinien zur Nachhaltigkeit und Arbeitnehmerrechten sind allerdings etwas “weich“.
Ganz ohne die Überwachung der Menschenrechte kommt der Blaue Engel aus. Auch beim Label “Nature Care Product Standard“ (NCP) spielt die Sozialverträglichkeit keine Rolle. Dennoch steht das NCP-Siegel für das konsequente Verbot riskanter Chemikalien sowie nachhaltiges Wirtschaften.
Die Verwendung regenerativer Rohstoffe soll auch das Bio-Label “Ecocert“ garantieren, das in zwei Varianten existiert. Erstens ist dies “Ecocert – Ökologische Wasch- und Reinigungsmittel“, das nur für den biogenen Ursprung der Rohstoffe mit einem Anteil von 95 % steht. Zweitens bezeichnet „Ecocert – Ökologische Wasch- und Reinigungsmitte – hergestellt mit Biorohstoffen“ Produkte mit Rohstoffen aus biologischem Anbau. Das allerdings nur mit einem Anteil von 10 %!
Übrigens: Wenn Sie solche Informationen interessieren, dann fordern Sie unbedingt meinen Praxis-Newsletter mit den „5 Wundermitteln“ an:
Kleine Anmerkung: Die Sache mit den „5 Wundermitteln“ ist mit Abstand der beliebteste Newsletter, den meine Patienten gerne lesen…
Beitragsbild: pixabay.com-Clker-Free-Vector-Images
Dieser Beitrag wurde am 15.05.2010 erstellt und am 06.12.2023 aktualisiert.
21. Mai 2018 um 14:20
In der Schweiz wohnhaft und daher nicht immer auf dem laufenden, was in der EU passiert, verlasse ich mich auf das Demeter- und das Kospen-Label, deren strenge Richtlilien ich kenne. Was die spanischen Erdbeeren betrifft: Seit ich gesehen habe, dass Erdbeeren vom gleichen Produzenten in Spanien eineinhalb mal soviel kosten wie in der Schweiz, weil der Staat den Export subventioniert, kommen sie allein schon deswegen nicht mehr infrage. Ein „armes“ Land noch zusätzlich so ausbeuten? – Danke, ich esse gern mit gutem Gewissen.
22. Januar 2013 um 12:37
Wenn man bei Youtube BR Lebensmittel eingibt, kommt man auf einen Bericht demnach z.B. 90% des deutschen Apfelsaftkonzentrats aus China sind und das muss zur Zeit nicht auf der Verpackung stehen, wenn die Abfüllung in Deutschland erfolgt. Soviel zu Herkunftsländern.
25. Juli 2010 um 16:21
Tja, im Namen der Gesundheit wird vieles gerne geglaubt, wo Bio drauf steht. Es ist aber schon mit dem gesunden Menschenverstand nicht hinwegzusehen, dass die Nachfrage höher ist, als ein biologisches Angebot sein kann. Über den Sinn oder Unsinn über Bio Bananen aus China lässt sich dann halt auch streiten.
2. Juni 2010 um 13:18
Das nicht alles Bio ist wo Bio drauf steht ist leider schon lange kein Geheimnis mehr.