Unlängst wurde ich auf einen Beitrag in Facebook aufmerksam gemacht, der von „geheimen Zutaten“ in Coca-Cola sprach. Und diese Zutaten, „ein bisschen Extrakt“ genannt, sollen von einer Schildlaus (Dactylopius coccus) stammen.
Es ist seit langem bekannt, dass aus diesem Insekt, auch Cochenille genannt, der Farbstoff Karmin gewonnen wird. Dieser Farbstoff wird zum Färben von Textilien verwandt. Er taucht in kosmetischen Artikeln auf, zum Beispiel Lippenstift. In der Wissenschaft wird Karmin zum Fixieren und gleichzeitigen Anfärben von Chromosomen verwendet, um diese unter dem Mikroskop darstellen zu können.
In Deutschland wurde Karmin-Säure, die der zentrale Bestandteil von Karmin ist, bereits 1959 als Farbstoff für die Verwendung in Lebensmitteln zugelassen. Als Lebensmittelfarbstoff trägt es die Bezeichnung E 120. Beim Inhalieren und bei oraler Einnahme von Karmin kann es zu allergischen Reaktionen bis hin zur Anaphylaxie kommen.
Und Coca-Cola?
Der Facebook-Beitrag scheint keine „Erstveröffentlichung“ gewesen zu sein. Denn es gibt eine Reihe gleichlautender Beiträge, allerdings in Englisch.[1] [2] [3]
Beim Facebook-Beitrag scheint es sich um eine Übersetzung zu handeln, die teilweise so holprig ist, dass der Verdacht nahe liegt, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem automatischen Übersetzer stammt.
Was also erzählen uns diese Beiträge in Bezug auf Coca-Cola?
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Sie erzählen von neun Zutaten, die einem die Lust auf Coca-Cola nehmen würden. Es beginnt mit der Beschreibung von „ein bisschen Extrakt“, der im Verlauf einer Klage gegen Coca-Cola spezifiziert werden musste. Es handelt sich hier angeblich um eine Flüssigkeit, die von dem Insekt Cochenille stammt.
Es geht weiter mit der Beschreibung, wie diese Insekten auf Echtem Süßholz gezüchtet werden, dem unappetitlichen Erntevorgang und die sich anschließende Verarbeitung zu dieser ominösen „Flüssigkeit“. Aufgrund der dunklen Färbung sieht man angeblich Blut und Kot von Mäusen, die bei der automatisierten Ernte mit eingefangen und vernichtet werden, nicht.
Schädliche Substanzen, die bei der Produktion von Coca-Cola entständen, würden mithilfe von Chemikalien neutralisiert. Und deswegen würden Angestellte, die in der Fertigung beschäftigt sind, keine Coca-Cola trinken wollen.
Aufgrund dieser Beschreibung liegt also der Verdacht nahe, dass es sich bei dieser Flüssigkeit um Karmin oder Karmin-Säure handelt, die der Cola eine rötliche Farbe verleiht. Die Frage ist hier, warum die Cola nicht rot, sondern fast schwarz ist? Kann oder muss man Karmin so hoch konzentrieren, dass sich eine fast schwarze Färbung ergibt?
Wenn ja, welche Auswirkungen hat hochdosiertes Karmin auf die Gesundheit? Laut Angaben der Behörden dürfen je nach Anwendung zwischen 50-250 Milligramm pro Kilogramm nicht überschritten werden. Würde dies reichen, um die Cola derartig dunkel zu färben?
Nein Nein Nein – die Cola die ist rein
Ein Beitrag von „Techno Pixel“[4] dementiert diese Behauptung. Nachdem der Beitrag freudig aufgeregt diskutiert, wie weit verbreitet Coca-Cola doch inzwischen ist (als wenn das etwas zur Thematik beitragen würde), geht er dazu über, „zahlreiche Verschwörungstheorien“, die behaupten, dass Mäuse, Insekten etc. in der Cola enthalten sind, zu widerlegen.
Wer tritt hier als „Kronzeuge“ auf, der beweist, dass keine Insekten hier eine Rolle spielen? Coca-Cola selbst. Denn die hätten auf ihrer eigenen Webseite einen Report eingestellt, der zeigt, dass keine Insekten in ihren Produkten zu finden seien. Toll! Das überzeugt, nicht wahr?
Zur Verstärkung wird noch ein Report eines „Ministeriums für Landwirtschaft und ländliche Angelegenheiten“ erwähnt, der dies bezeuge. Darunter sieht man die Fotografie eines offiziell aussehenden Dokuments, wo die Schrift so klein ist, dass man nur mit Mühe erkennen kann, dass die hier verwendete Sprache möglicherweise türkisch ist. Ob dieses Dokument die behauptete Aussage zur Abwesenheit von Insekten in der Cola enthält, das lässt sich natürlich nicht aus diesem „Beweis“ ersehen.
Oder mit anderen Worten: Der Beweis ist keiner. Aussagen von Coca-Cola zu seinen eigenen Produkten kann man nicht als unabhängig und objektiv ansehen. So etwas zu tun, das wäre eine echte „Verschwörungstheorie“.
Und auch die Erklärung, woher dann die schwarze Färbung rührt, kommt von niemand anderem als Coca-Cola selbst. Und zwar in einer „offiziellen Erklärung“. Toll!
Es ist Karamell, das für die schwarze Färbung verantwortlich sein soll. Und da Karamell ein „Nahrungsmittel“ sein soll, dass sich unter Hitze aufgrund einer Molekularreaktion von Zucker bildet, hat der Autor diese Form von „Zucker“ von jeglichem Verdacht rein gewaschen. Nicht erwähnt hat er die Möglichkeit der Entstehung von Acrylamid[5], die bei diesem Vorgang, auch Karamellisieren genannt, besteht.
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Warum die Insektenfrage bei Coca-Cola nebensächlich ist
„Techno Pixel“ beeilte sich bei seiner Verteidigung von Coca-Cola Inhaltsstoffe anzugeben, die alleine reichen würden, auch unter Abwesenheit von Insektenbeigaben, einen großen Bogen um deren Produkte zu machen.
Denn massive Mengen von Zucker, Fructose-Sirup, Phosphorsäure und „natürliche Geschmacksstoffe“, deren Ursprung auch im Dunkeln liegen, sind alleine schon Grund genug, diese Plörre zu meiden.
Aber es kommt noch besser. Im Juni 2016 schrieb ich bereits über den „schwarzen Farbstoff“ in der Coca-Cola:
Denn wie es aussieht, sind weder Karmin, noch Karamell für die dunkle Farbe (hauptsächlich) verantwortlich, sondern eine Chemikalie, die sich 4-Methylimidazol (4MI) nennt. Sie wird auch als „Zuckercouleur E 150“ bezeichnet und kommt als E 150d als der Farbstoff vor, der die Coca-Cola dunkel färbt. Und dieser „leckere“ Zusatz ist krebserzeugend.
Andere Beiträge von mir, die zeigen, dass auch ohne die Insektenfrage kein Grund besteht, Coca-Cola anzurühren:
Was Cola nicht darf, das dürfen andere?
Ist Coca-Cola das einzige Produkt, welches im Verdacht steht, mit Insektenprodukten bestückt zu sein?
Der „Business Insider“ [6] berichtete schon im März 2012 von der Verwendung von Cochenillen bei Starbucks, mit denen deren Frappuccinos [7] eingefärbt werden. Weiter berichtet der Beitrag, dass die Verwendung dieser Insekten in der Lebensmittelindustrie durchaus üblich sei.
Als nächstes folgt eine bebilderte Beschreibung, wie die Insekten gezüchtet, geerntet und verarbeitet werden. Hierbei werden keine Mäuse mit geerntet, die dann zerquetscht mit ins Produkt eingehen. Oder hat sich diese Vorgehensweise seit 2012 geändert?
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Hilfreich ist der Tipp, worauf man beim Kauf von roten Produkten achten sollte, um die eventuelle Anwesenheit der Insekten im Produkt ausfindig zu machen. Man sollte bei der Nährstofftabelle und/oder Angaben von Zutaten auf diese Angaben achten: Karmin-Säure, Karmin oder Cochenille-Extrakt.
Fazit
Das Geschrei um Cochenillen in Getränken, wenn es um Coca-Cola geht, ist unverständlich. Denn es gibt kein Grund zu der Annahme, dass Cochenillen nur in der Cola schlecht sind, in den Frappuccinos von Starbucks und in etlichen Lebensmitteln dagegen nicht.
Coca-Cola ist auch ohne die Insekten (was nach meinem Dafürhalten der Wahrheit entspricht) abzulehnen, der Gesundheit zuliebe.
Und wer gegen Insekten in den Lebensmitteln ist, der sollte auch darauf hinweisen, dass diese schon längst Einzug in unsere Lebensmittel in Form von Lebensmittelfarbstoffen gehalten haben. Warum man sich ausgerechnet Coca-Cola vorgenommen hat und nicht dieses allgemeine Thema, ist mir wenig verständlich. Oder muss Coca-Cola als Sündenbock herhalten, um von diesem viel schwerwiegenderem Thema abzulenken?
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Beitragsbild: pixabay.com – stevepb
Quellen:
[1] Coca-Cola’s Mysterious Ingredient – Cochineal Insect Liquid • Soul:Ask | Unlock your mind and soul
[2] Read These Shocking 9 Ingredients In Coca-Cola And You Will Drink It No More… – WebInvestigator.KK.org – by F. Kaskais
[3] Read These Shocking 9 Ingredients In Coca-Cola And You Will Drink It No More…
[4] What Gives Coke its Black Color? (No, Not Bug) – TechnoPixel
[5] Karzinogene: Krebsauslösende Schadstoffe
[6] This Is How Cochineal Insects Color Your Foods and Drinks
[7] Vegans Mad at Starbucks for Using Beetle Food Coloring in Frappuccinos