Ein häufiger gestellte Frage von älteren Patienten: “Darf ich in meinem Alter eigentlich noch Fasten?” Nach meiner Erfahrung sollte man diese Frage nicht pauschal mit Ja oder Nein beantworten. In diesem Artikel versuche ich eine Antwort zu geben.
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Abb1: Darf man im höheren Lebensalter überhaupt noch Fasten? Zahlreiche “Experten” raten pauschal ab. Aber eine differenzierte Betrachtung wäre wünschenswert.
Betrachten wir zuerst einmal einige allgemeine Punkte zur Lebenserwartung und zum Alter selbst:
Die Lebenserwartung in den Industrieländern steigt stetig an. So wurden in Deutschland die Männer vor hundert Jahren durchschnittlich nur etwa 49 Jahre alt. Heute haben sie eine Lebenserwartung von über 75 Jahren. Frauen werden im Schnitt sogar noch sechs Jahre älter. Durch den gleichzeitigen Geburtenrückgang stieg der Anteil der über 60-Jährigen 2003 auf 24 %, also auf das Dreifache zum Jahre 1900. Laut Prognosen wird die Lebenserwartung weiter ansteigen.
Bevor wir zum Fasten kommen, lassen Sie mich bitte noch eine Anmerkung machen:
Oft ist zu lesen das die höhere Lebenserwartung eine Errungenschaft unserer sog. modernen Medizin sei. Das verschwinden der großen Krankheiten früherer Zeiten wie: Pest, Cholera, Typhus, Botulismus, Ruhr, Poken, Tuberkulose ist im aber wesentlichen KEINE Leistung der Medizin gewesen (die das gerne für sich in Anspruch nimmt), sondern der Hygieniker, der Agrarchemie, des Maschinenbaus und der Gewerkschaften. Die Agrarchemie hat die Intensivierung der Landwirtschaft ermöglicht, sodass sich Deutschland heute selbst versorgen kann – was bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts eine Utopie war.
Der Maschinenbau hat dazu beigetragen, dass uns Maschinen die zum Teil enormen körperlichen Belastungen abgenommen haben, gleichzeitig hat sich die Arbeiterschaft organisiert um sich gegen „Ausbeutung“ der Arbeiter zu wehren und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Und nicht zuletzt die Hygiene: Trinkwasserverordnung und Überwachung, Lebensmittelkontrolle, Abwasserbeseitigung und Müllabfuhr….Ich könnte die Liste beliebig weiterführen. Jedenfalls zählt es zu den Mythen, dass die Menschen nur dank des medizinischen Fortschritts immer älter würden. Alte Menschen jenseits der 90 Jahre gab es schon immer. Todesfälle durch Infektionskrankheiten, Lebensmittelvergiftungen, Säuglingssterblichkeit und vor allem durch härteste Arbeitsbedingungen, senkten früher die durchschnittliche Lebenserwartung enorm.
Die Erforschung der Alterungsprozesse
Viele Forscher und Ärzte interessieren sich für das Altern und die daraus resultierenden Erkrankungen und Beschwerden. Die Gerontologie, auch Wissenschaft vom Altern der Menschen genannt, beschäftigt sich ausgiebig mit diesem Thema, so dass es die unterschiedlichsten Ansätze und Ergebnisse gibt. Leonard Hayflick etwa zeigte, dass jede Körperzelle sich nur etwa 50 Mal teilen kann und anschließend mithilfe eines zelleigenen Systems durch programmierten Zelltod abstirbt. Andere Forscher beschrieben ein Hormon, das mit Beginn der Pubertät die Alterung der Zellen vorantreibt. (vgl. den Übersichtsartikel von Bürger M.: Alter und Krankheit; 3. Aufl.; VEB Thieme; Leipzig 1957)
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Zunehmende Verschlackung im Alter
Die Alternativmedizin geht darüber hinaus davon aus, dass die Giftstoffe, die sich in den Zellen und an deren äußeren Membranen befinden, entscheidend zum Altern beitragen. Demnach können Umweltfaktoren, allen voran die Ernährung, über den Zustand, die Regenerationsfähigkeit und die Lebensdauer der Zelle entscheiden. Nur wenn die Zelle eigene zerstörte Enzyme oder Stoffwechselendprodukte (Zellmüll) schnell nach Außen transportieren und dort beseitigen kann, bleiben Zellerneuerung und Regenerationsfähigkeit auf einem gesunden Level. Andernfalls kommt es vermehrt zu Wundheilungsstörungen oder zu einer fortgeschrittenen Immunschwäche.
Die Giftstoffe können die betroffenen Zellen aber auch dazu veranlassen, sich vermehrt zu teilen, um gegen die Verschlackung vorzugehen. Dadurch kann es zu Gefäßverkalkungen, aber auch zur Ausbildung von Krebs kommen. Im Gehirn, dessen Zellen sich nicht teilen, kann zu viel Zellmüll zu der typischen Alterskrankheit Alzheimer führen. Die Befürworter dieser Theorie gehen also davon aus, dass nicht nur das Bindegewebe, sondern auch einzelne Zellen verschlacken können.
Der Gerontologe Roy Walford konnte an Rattenversuchen zeigen, dass der Alterungsprozess sich bis zu 70 % verlangsamte, wenn die Tiere statt zu fressen nur kalorienfreie Flüssigkeit tranken (vgl. Walford R. L. et al.: Influence of controlled dietary restriction on immunologic function and aging; Federation proceedings 6; 38; 1979; S. 2007-2016).
Obwohl sich diese Ergebnisse natürlich nicht ohne weiteres auf den Menschen übertragen lassen, machen Fachleute immer wieder die Erfahrung, dass Fasten eine tiefgreifende verjüngende Wirkung hat und dabei gleichzeitig die körperliche und seelische Verfassung verbessert (vgl. Fahrner H. A.: Fasten als Basistherapie der stoffwechselinduzierten Multimorbidität älterer Menschen; Naturamed 3; 1987; S. 140-147).
Idealerweise beginnt man mit vollwertiger Ernährung und dem Fasten bereits, bevor Krankheits- und Alterungssymptome eingesetzt haben.
Doch auch nach Ausbildung einer Krankheit können Entschlackungskuren noch gute Hilfe und Linderung verschaffen. Der Fastenmediziner Heinz Fahrner beschreibt in seinem Fachartikel „Abbau der Übermedikation älterer Menschen durch Fasten und Diätetik“ von 1988, dass Betroffene oft gleichzeitig an mehreren Krankheiten leiden und einen unüberschaubaren Medikamenten-Mix schlucken (eine Erfahrung, die auch ich in der Praxis mache).
Aus diesen Medikamenten-Cocktails ergeben sich eine zusätzliche Verschlackung und auch Blockierung zahlreicher Stoffwechselvorgänge.
Fasten in höherem Lebensalter
Da die Regeneartionsfähigkeit im Alter aber nachlässt, muss das Fasten sehr genau auf die Vitalität der Patienten angepasst werden.
Das biologische Alter hängt dabei von vielen Faktoren ab, vor allem aber vom “Lebensstil”.
So können Fastenkuren bei einigen 70- bis 80-Jährigen noch ratsam sein, während sie bei anderen 50-Jährigen schon zu riskant sind.
Personen, die über 80 Jahre alt sind, sollten auf Fastenkuren allerdings ganz verzichten, es sei denn es sind Menschen, die schon ihr ganzes Leben regelmäßig gefastet haben. Sobald es auch nur die geringsten Anzeichen einer Demenz oder einer Hirndurchblutungsstörung gibt, ist eine Vollwertdiät auf jeden Fall die bessere Alternative – und eine vernünftige Therapie dazu.
Eine Null-Diät verbietet sich bei sehr alten Patienten normalerweise sowieso, so dass sie täglich eiweißhaltige Getränke (wie Buttermilch) und Säfte zu sich nehmen sollten. Trotz verringerter Kalorienmenge sollten die Betroffenen auf eine ausreichende Vitamin- und Mineralstoffzufuhr achten.
Durch altersangepasste Gymnastik- und Entspannungsübungen wird das Wohlbefinden zusätzlich erhöht. Nicht selten können sogar die Medikamente langfristig reduziert werden, wenn die Patienten auch nach dem Fasten die Ess- und Lebensgewohnheiten umstellen.
So wird nicht nur die Gesundheit verbessert, sondern möglicherweise (wie bei den Rattenversuchen gezeigt) auch der Alterungsprozess verlangsamt.
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