Geschichte des Heilfastens

Religiöses Fasten in Indien, Israel, Islam und im Christentum

Erfahrungen aus der Naturheilpraxis von René Gräber

René Gräber
René Gräber

Das Fasten ist bei allen Weltreligionen ein fester Bestandteil. Dabei kommt in einer Vielzahl von Formen vor und wird zu den verschiedensten Zeiten und Anlässen ausgeübt. Wenn man sich das Fasten einmal im Hinblick auf die Dauer der Nahrungsmittelenthaltung anschaut, spielen aus religionsgeschichtlicher Sicht vor allem die Praktiken im alten Indien, in Israel, im frühen Christentum sowie im Islam eine wichtige Rolle. Aber auch heute noch gibt es viele religiöse Fastenbräuche.

Das Fasten im “alten” Indien

Eine besonders extreme Form des asketischen Fastens gibt es im Jainismus. Neben dem Buddhismus und dem Hinduismus ist der Jainismus die dritte große Religion in Indien. In der Lehre der Jainas existiert auch ein System zur Vernichtung des Karmas. In diesem System stellt der freiwillige Hungertod die höchste Stufe der Selbstaufgabe dar. Das asketische Fasten bis zum Tode ist dabei alleine den Mönchen vorbehalten, die dadurch zur Erlösung, dem “moksha”, gelangen.

Hierzu gibt es verschiedene Lehrbücher, die beschreiben, wie man dieses Ziel erreichen kann. Das “Bhattaparinna” enthält die wichtigsten Gesetze zum Nahrungsverzicht. Der größere Verzicht auf Speisen und Getränke wird im “Mahapachchakkhana” gelehrt und im “Kanagavalli” wird ein System mit verschiedenen Fastenübungen über 522 Tage beschrieben.

Auch die Hindus kennen das asketische Sterben durch den Hungertod. Dieses kommt insbesondere in der hinduistischen Lehre des “Präyopagamana” vor und wird im “Akaranga Sutra” ausgeführt. Im “Avakabiya” wird ein freiwilliges lebenslanges Fasten beschrieben und das “Marcana-kala” ist die Lehre, wie man langsam bis zum Tode fasten kann.

Heute wird in den indischen Religionen oft vor religiösen Festen gefastet ,um “die Seele zu reinigen”, Wünsche und Gefühle zu beherrschen sowie Buße zu tun.  Auch um bei den Göttern die Vergebung der eigenen Sünden oder die Genesung einer geliebten Person zu erbitten, kann gefastet werden. In manchen hinduistischen Richtungen wird an einem speziellen Wochentag gefastet, um durch den Verzicht auf Nahrung diesen Tag seinem Gott zum Geschenk zu machen und ihm auf diese Weise näher zu kommen.

Fasten ist in Indien auch oft politisch motiviert: So hat Mahatma Gandhi das Fasten zu einer Form des “Satyagraha” erklärt, einer Geisteshaltung, mit der man durch eigene Gewaltlosigkeit und die Bereitschaft, Schmerz und Leid auf sich zu nehmen, an das Gewissen des Gegners appelliert. Gefastet wird so medienwirksam gegen politische Unterdrückung, Verfolgung von Religionen oder Korruption.

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Fasten im Buddhismus

Für buddhistische Mönche und Nonnen gehört das Fasten zum Alltag: Sie verzichten täglich ab 12 Uhr auf jegliche Nahrungsausnahme. Ziele sind, innerlich rein zu werden, Erleuchtung und Frieden zu finden und besser meditieren zu können. Auch jeder andere gläubige Buddhist ist aufgerufen, immer wieder zu fasten. Eine fest vorgeschriebene Fastenzeit gibt es dafür allerdings nicht.

Fasten im “alten” Israel

Im alten Testament wird das Fasten aus verschiedenen Gründen beschrieben. So gilt es als Ausdruck der Trauer sowie der Buße und Umkehr. Auch zum Zwecke einer ungestörten und intensiven Gemeinschaft mit Gott wurde gefastet. Außerdem wird im alten Testament zwischen dem Fasten Einzelner oder des gesamten Volkes Israel unterschieden. Dabei wurde das Fasten oft durch zusätzliche Zeichen nach außen sichtbar gemacht, indem auf angemessene Kleidung oder das tägliche Waschen verzichtet wurde.

Zum ersten Mal wird das Fasten erwähnt, als Mose den Berg bestieg, um von Gott die Gesetzestafeln zu empfangen. Dort war er 40 Tage und 40 Nächte mit dem Herrn allein (5. Mo 10,10). Das gesamte Volk fastete erstmals, als Israel von Benjamin geschlagen wurde. Das Synedrion war das höchste Gericht im alten Israel und schrieb zu verschiedenen Zeiten des Jahres bestimmte Fastentage vor. Dabei handelte es zumeist um Tage der Trauer. Unter anderem wurde am Todestag von Gedalja, dem Statthalter Judäas, gefastet. Auch der Tag, an dem die Gesetzestafeln zerbrochen wurden, zählte als Fastentag. Diese Fastentage waren für das gesamte Volk Pflicht.

Außerdem wurde auch bei Naturkatastrophen wie langer Trockenheit ein allgemeines Fasten angeordnet. Das Fasten begann dann montags oder donnerstags und dauerte zunächst drei Tage. Dabei wurde das Fasten allerdings von Tagen der Nahrungsaufnahme unterbrochen. Stellte sich weiterhin kein Regen ein, wurde die Dauer des Fastens zunächst auf sieben Tage und später auf sieben Wochen ausgedehnt. Es war während dieser Zeit nur an Festtagen erlaubt, Nahrung zu sich zu nehmen. Der Spruch “Man soll die Feste feiern, wie Sie fallen” entstammt aus dieser Zeit.

Das Fasten des Einzelnen wird in vielen Teilen des Alten Testaments beschrieben. In der Elias-Apokalypse wird das Fasten verherrlicht als “von Gott geschaffen”. Ein wichtiges Merkmal frommer Ideale stellte das lebenslange Fasten, das tägliche Fasten, das jahrelange Trauerfasten der Judith sowie das Witwenfasten der Hanna dar. Im Psalm 109, 24 kommt folgender Satz vor: “Vom vielen Fasten bin ich so schwach geworden, dass meine Beine zittern, und ich bin abgemagert bis auf die Knochen”. Gesprochen hat ihn Rabbi Zadoq, der sich 40 Jahre lang ausschließlich vom Aussaugen einiger getrockneter Feigen ernährt hatte. Nachdem er nur noch wie ein Skelett aussah, päppelten ihn die Ärzte mit Wasser und Schrotmehl wieder auf.

Bereits im Alten Testament wurde das Fasten teilweise verurteilt, wenn es nicht mit Gehorsam, Almosengeben und Gerechtigkeit einherging (z. B. Jes 58, 1-12). Zudem gab es auch einige kritische Anmerkungen, die anprangerten, dass das Fasten die Kraft des Menschen schwäche.

Fasten im Judentum

Im jüdischen Glauben gibt es Fastentage, an denen 24 oder 25 Stunden lang nicht gegessen und getrunken wird. Der bekannteste ist Jom Kippur. In dieser Zeit ist auch Rauchen, Waschen, Arbeiten und Sex verboten. Neben den großen Fastentagen gibt es weitere Tage, an denen das Fasten nicht fest vorgeschrieben, aber erwünscht ist: der eigene Hochzeitstag, der Todestag der Eltern und der Vorabend des monatlichen Neumonds. Ziel von Fastenzeiten im Judentum ist die Sühne begangener Sünden, die Erlangung von Unabhängigkeit von körperlichen Bedürfnissen und das Gedenken an traurige Ereignisse.

Fasten im Islam

Der islamische Fastenmonat Ramadan hat seinen Ursprung im jüdischen Versöhnungsfest. Der Prophet Mohammed hatte sich mit seinen Gefährten zunächst am Versöhnungstag den um Medina sesshaften Juden angenähert. Gemeinsam fasteten sie von Sonnenaufgang dieses Tages bis zum Sonnenuntergang des nächsten Tages. Aber auch Mohammed selbst fastete, bevor ihm der Koran offenbart wurde.

Die wichtigste Zeit des Fastens ist für einen gläubigen Muslim der Ramadan, der neunte Monat im islamischen Mondjahr. Im Ramadan wird nur von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang gefastet, dann aber sehr streng: Essen, Trinken und Rauchen ist tagsüber verboten. Auch sexuelle Handlungen dürfen während des Ramadan nur nachts ausgeübt werden. Zudem gibt es besondere Vorschriften, was das Waschen betrifft. Vom Fasten teilweise oder ganz befreit sind nur schwangere Frauen und kranke Menschen, denen der Essensverzicht schaden würde. Auch wer auf Reisen ist, muss im Ramadan nicht fasten. Wer nicht fasten kann, ist aber angehalten, stattdessen den Armen Almosen oder Speisen zu geben.

Das abendliche Fastenbrechen wird oft in größeren Gruppen vollzogen und hat damit auch einen stark familiären und sozialen Charakter. Almosen für die Armen und das Gebot der Gastfreundschaft sind im Ramadan besonders wichtig.

Zusätzlich zum Ramadan sind Muslime angehalten, montags und donnerstags zu fasten. Das Fasten gilt als eine der fünf Säulen des Islam und nimmt deshalb einen besonders hohen Stellenwert innerhalb der Religion ein.

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Fasten im Christentum

Im Christentum ging die Praxis des strengen Fastens im Laufe der Zeit weitestgehend verloren. Nur noch vereinzelt finden sich im frühen Christentum Hinweise auf das Fasten. Bei Johannes von Antiochia, Erzbischof von Konstantinopel (344-407), ist zu lesen: “Das Fasten ist Nahrung der Seele, es zügelt die Unmäßigkeit der Sprache und schließt die Lippen, es zähmt die Wollust und besänftigt das cholerische Temperament, es weckt das Urteil, macht den Körper geschmeidig, verjagt nächtliche Träumereien, heilt Kopfschmerzen und heilt die Augen”.

Der heilige Athanasius (295-373) hatte das Fasten zudem als “Speise der Engel” bezeichnet. Papst Leo der Große forderte eine strenge Einhaltung der 40-tägigen Fastenzeit vor Ostern. Karl der Große verhängte sogar Todesstrafen für den Fall, dass kirchliche Fastengebote missachtet wurden.

Während der Jahre kam es bei einzelnen Gruppen zu Sonderformen des Fastens. So übten die mazedonischen Bogomilien im 10. Jahrhundert eine strenge Gebets- und Fastenpraxis aus. Sie verzichteten bis auf Fisch auf alle Speisen, die durch Zeugung entstanden sind. Zudem verzehrten sie an den Fastentagen Montag, Mittwoch und Freitag sowie in der ersten und letzten Woche der vorweihnachtlichen und vorösterlichen Fastenzeit ausschließlich Wasser und Brot.

Die auch heute noch bestehende 40-tägige Fastenzeit vor Ostern soll an das Leiden, das Fasten und das Beten von Jesus in der Wüste erinnern.

Allerdings wird Fasten in diesem Zusammenhang heute nicht mehr als Nahrungsverzicht verstanden: Es soll vor allem auf Süßigkeiten, Alkohol und Genussmittel verzichtet werden. Manche Christen (und auch Nicht-Christen) verzichten in der Fastenzeit auch auf Computerspiele, übermäßige Internetnutzung oder andere „Gewohnheiten“. Zusätzlich rufen die Kirchen zum vermehrten Beten auf und veranstalten Spendensammlungen für wohltätige Zwecke. Streng genommen gibt es auch vor dem Weihnachtsfest eine Fastenzeit von 40 Tagen, diese wird aber im Christentum kaum noch praktiziert.

Im Gegenteil: Die üppig überladene Adventszeit hat mit Verzicht kaum noch etwas zu tun.
In früheren Generationen war auch das Freitagsfasten üblich. Um an das Leiden Christi am Karfreitag zu erinnern, wurde freitags nur wenig und nur einfache Speisen gegessen. Über die Jahrhunderte wandelte sich dieses Speisegebot und beinhaltete nur noch ein Verbot, freitags Fleisch zu essen. Geblieben ist davon heute nur noch der Brauch, am Freitag Fisch zu essen (denn der war nicht verboten).

Mit welcher Geisteshaltung gefastet werden soll, erklärt Jesus in der Bergpredigt (Mt 6,16 – 18): „Wenn ihr fastet, macht kein finsteres Gesicht wie die Heuchler. Sie geben sich ein trübseliges Aussehen, damit die Leute merken, dass sie fasten. Amen, das sage ich euch: Sie haben ihren Lohn bereits erhalten. Du aber salbe dein Haar, wenn du fastest, und wasche dein Gesicht, damit die Leute nicht merken, dass Du fastest, sondern nur dein Vater, der auch das Verborgene sieht; und dein Vater, der das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.“

Die orthodoxen Kirchen fasten viermal im Jahr über mehrere Wochen. Dabei wird auf tierische Nahrungsmittel, Alkohol und Fett verzichtet. Auch regelmäßige Fastentage am Mittwoch und Freitag sind bekannt.

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Beitragsbild: 123rf.com – Alexander Raths

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