Geschichte des Heilfastens

Fasten Geschichte – Die faszinierende Saga des Fastens

Erfahrungen aus der Naturheilpraxis von René Gräber

René Gräber
René Gräber

Manche Menschen verzichten auf bestimmte Lebensmittel, sei es Fleisch, Fisch oder Alkohol, aus persönlichen Vorlieben oder Abneigungen.

Doch Fasten, wie es allgemein und wissenschaftlich verstanden wird, geht über diese individuellen Präferenzen hinaus.

Fasten bezeichnet den freiwilligen, vollständigen oder teilweisen Verzicht auf Nahrung, Getränke und Genussmittel über einen bestimmten Zeitraum, üblicherweise von einem Tag bis zu anderthalb Monaten.

Religiöse Fastenkonzepte können auch den Verzicht auf lustvolle Aktivitäten und alltägliche Gewohnheiten einschließen.

Und genau darum geht in diesem Beitrag. Ich möchte eine Übersicht über diese Thematik geben zeigen, wie umfassend die Geschichte des Fasten wirklich ist! 

Dazu erst einmal ein paar Begriffe zur Abklärung.

Abstinenz ist der absolute Verzicht auf Nahrung oder bestimmte Lebensmittel, wie er im Rahmen des Vollfastens praktiziert wird. Eine bloße Verringerung der Nahrungsaufnahme kennzeichnet das “Halbfasten”, was aber nach meiner Ansicht und Definition nichts mit Fasten zu tun hat.

Hungern: Immer wieder haben und hatten auch Missernten, Kriege und Inflation die Menschen vom Sattessen abgehalten. Hier kann man aber nicht vom Fasten im engeren Sinne sprechen, weil keine bewusste Entscheidung zugrunde lag. Die Auswirkungen der Mangelernährung waren und sind dem kontrollierten Fasten nur teilweise ähnlich. Typisches Beispiel für Mangel-Perioden waren die Zeiten während und nach dem 1. Weltkrieg sowie nach dem 2. Weltkrieg.

Das Gegenteil von Fasten ist Völlerei. Die Neigung dazu lässt sich auf die Zeit zurückführen, als wir noch Jäger und Sammler waren. Damals musste der Mensch zum Teil Monate von der eigenen Substanz leben und füllte einfach seine Reserven, soweit es möglich, war auf. Denn es kamen auch wieder schlechte Zeiten, in denen es nur wenig oder nichts zu essen gab. Auch diese Hungerzeiten waren kein richtiges Fasten. Ob es in der Ur- und Frühgeschichte überhaupt Praktiken gab, die rituellen oder religiösen Nahrungsverzicht vorsahen, ist nicht bekannt.

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Fasten beruht auf sehr verschiedenen Motivationen

Sprachlich kommt das Wort fasten vom gotischen “fastan”, was soviel bedeutet wie “halten” oder “beobachten”. Im Althochdeutschen bedeutete fasten, “an den Geboten der Enthaltsamkeit festhalten”.

Darin kommt auch zum Ausdruck, dass der Verzicht auf einer Überzeugung beruhte und auch heute beruht. Am geläufigsten ist uns das religiöse Fasten, wohingegen das Fasten aus gesundheitlichen Gründen eher unter dem Begriff „Diät“, besser gesagt „Reduktions-Diät“, bekannt ist. Gezielt der Gesundheit dienende Diäten werden aber treffender mit Begriff „Heilfasten“ bezeichnet.

Die hinter einer Abnehm-Diät steckende „Weltanschauung“ kann die Verehrung eines Schönheits-Ideals sein, das uns heute Werbung und Massen-Medien vermitteln. Diese modernen „Ideale“ haben bei vielen jungen Menschen Essstörungen und Untergewicht zur Folge.

Von der Venus von Willendorf (30.000 v. Chr.) über die Venus von Milo bis zu Venus von heute sind starke Veränderungen zu sehen. Die ästhetischen Normen, besonders des weiblichen Schönheits-Ideals, prägen seit der Antike unsere Konfliktsituation. Der menschliche Körper neigt dazu, bei einem Nahrungsüberfluss in Verbindung mit geringer Bewegung, die einmal erworbenen Nährstoffpolster nur sehr schwer wieder loszuwerden.

Politische Überzeugungen können ebenfalls der Anlass zum Fasten sein. Berühmt ist beispielsweise der Hungerstreik Gandhis.

Das Sterbefasten ist ein Vollfasten, bei dem ein Mensch die Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr komplett einstellt, bis der Tod eintritt. Diese ethisch umstrittene Form der Selbsttötung wird manchmal von unheilbar kranken Patienten vollzogen.

Selbstreinigung der Seele und die Abwehr des Bösen

Mit dem apotropäischen Fasten in der römisch-griechischen Antike sollte Unheil von den Menschen abgewehrt werden (Ein Apotropaion ist ein magisches Objekt, ein Amulett, Wandbild oder Ähnliches zum selben Zweck). Das kathartische Fasten galt als Akt der Selbstreinigung mit religiösem und sittlichen Hintergrund (Katharsis: Reinigung der Seele).

Bereits Hippokrates hatte das Fasten als eine medizinische Therapie erkannt. In schlimmen Fällen empfahl er gar das ausschließliche Trinken von Honigwasser. Als Ursache von Fettsucht sah er bereits damals die Trägheit und Schlemmerei an.

Auch heute ist bekannt, dass ein übermäßiges Zuführen von Nahrung den Menschen träge und müde macht. Zudem sinkt die Bereitschaft, anderen Menschen zu helfen, da niemand mehr verzichten will. Deshalb ist das Fasten – ob freiwillig oder auferlegt – seit jeher ein Gebot in allen Kulturkreisen.

Fastengebote der Juden und Christen

Direkt aus dem Alten Testament abzuleiten ist im Judentum das Fasten an Jom Kippur. An diesem Versöhnungstag nimmt ein streng gläubiger Jude 25 Stunden weder Nahrung noch Getränke zu sich. Daneben zelebrieren Juden noch weitere Fastenzeiten wie das siebentägige Fasten zum Pessach-Fest (Auszug aus Ägypten), das neuntägige Fasten vor Tischa beAv (Zerstörung des Tempels in Jerusalem) sowie das Gedalja-Fasten (Gedalja war judäischer Statthalter in Jerusalem).

Im Christentum lehnt sich die Fasten-Tradition an die 40-tägige Fastenzeit in der Wüste an, die von Jesus und Johannes dem Täufer überliefert ist. Theologen weisen darauf hin, dass Jesus selbst das Fasten für andere nicht vorgeschrieben und höchstens gebilligt hat. Fasten sollte nicht öffentlich praktiziert oder propagiert werden.

Im 4. Jahrhundert bildeten sich kleine christliche Gemeinschaften, die in der ägyptischen Wüste Klöster gründeten. Manchmal sonderten sich auch einzelne Menschen ab und lebten als Einsiedler. Die Menschen, die dieser Bewegung angehörten, lebten in Enthaltsamkeit und Entsagung. Laut dem Hauptvertreter der frühen Klostergemeinden, Augustinus von Hippo, sollte der asketische Lebensstil die Annäherung an Gott erst ermöglichen. Augustinus schrieb vor, dass jeder, der aus gesundheitlichen Gründen nicht fasten kann und darf, zumindest zwischen den geregelten Mahlzeiten nichts essen sollte.

Seit dem 5. Jahrhundert gibt es die uns heute bekannte, 40-tägige Fastenzeit vor Ostern. Die Sonntage waren in diesem Zeitraum eine Ausnahme, weswegen der Beginn der Fastenzeit auf den Aschermittwoch vorverlegt wurde, um auf 40 Tage zu kommen. Karfreitag und Karsamstag sind seither die sogenannten „Trauerfastentage“.

Karl der Große (747 bis 814) verfügte dann, dass 2/3 der Fastennahrung wie Käse und Fisch als Steuer abgeführt werden mussten. Daneben verlangte er Honig, Butter, Senf, Essig, Hirse, Gewürze, Kohl und Radieschen sowie Seife und Bienenwachs.

Im europäischen Mittelalter gab es Fastentage und Abstinenz-Tage. Der Speiseplan der Fastentage war gekennzeichnet durch eine Mahlzeit, die satt machen sollte und kleine Happen, die dazwischen verzehrt werden durften. Am Abstinenz-Tag galt Fleischverbot, wie es die Älteren noch von jedem Freitag her kennen. Heute ist die Regel beschränkt auf den Karfreitag und den Aschermittwoch, die beide Fasten- und Abstinenz-Tag gleichermaßen sind.

Im Mittelalter summierte sich die Zahl der Fasten- und Abstinenztage auf insgesamt 150. Neben der Fastenzeit vor Ostern kamen Fastentage vor Feiertagen und zum Jahreszeitenwechsel hinzu. Das war vielen Gläubigen zu viel und es entstanden skurrile Gerichte, mit denen das Fleisch versteckt wurde, wie zum Beispiel in Nudel- oder anderen Teigmänteln. Fleisch wurde so zugeschnitten, dass es wie Gemüse aussehen sollte. Getränke galten ohnehin gar nicht als Nahrung und so konnte in Fastenzeiten nach Belieben Alkohol getrunken werden.

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Hildegard von Bingen und ihre „Nachfolger“

Hildegard (1089 bis 1179) empfahl das Fasten ebenfalls, allerdings nicht in einer extremen Ausprägung, die sie auch für schädlich hielt (die sogenannte „Hildegard-Küche“ ist eine moderne Erfindung).

Ebenfalls einen pragmatischen Ansatz verfolgte der Franziskaner Berthold von Regensburg (1210 bis 1272), der arme Leute ausdrücklich von den Fastenregeln befreite (die ohnehin mangelernährt waren). Den Reichen riet er, lieber mal Fleisch zu essen, als zu viel Alkohol zu trinken.

Im 15. Jahrhundert kam eine erneute Lockerung der Fastenvorschriften. Papst Innozenz XIII gestattete den Gläubigen den Verzehr von Eiern, Milch und Produkten davon während der Fastenzeit.

Die Reformatoren wollten das Fasten ganz abschaffen, weil sie in der Bibel keinerlei ausdrückliche Vorschriften dazu finden konnten. Trotzdem blieb eine milde Form des Fastens wohl aus traditionellen Gründen in evangelischen Kreisen weiter bestehen.

Einige Anhänger der Reformation veranstalteten provokative Fressgelage während der Fastenzeit. Daraufhin kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen mit den Autoritäten.

Fasten verliert stetig an Bedeutung

1917 schaffte die katholische Kirche das Adventsfasten ab. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 bis 1965) sind die strengen Beschränkungen in der Fastenzeit für Katholiken nicht mehr Pflicht. Es gibt nur Empfehlungen, deren Einhaltung aber ins Belieben der Gläubigen gestellt sind.

Diese stetige Lockerung der Fastenregeln werden, nur 1983 unterbrochen durch einen Aufruf evangelischer Gläubiger. Die Bewegung „Sieben Wochen ohne“ ruft zum Fasten nach persönlichen Gewissensentscheidungen auf. Dabei geht es nicht nur um Essen und Trinken, sondern auch um anderweitige Aspekte des täglichen Lebens, wie beispielsweise Rauchen.

Fasten im Islam

Während im Christentum das Fasten nicht mehr streng geregelt ist, ist es im Islam immer noch eine absolute Pflicht. Das Gebot stellt eine der fünf Säulen des Islams dar (die anderen vier Säulen sind: Glaubensbekenntnis, Gebete, Spenden an Arme, Pilgerreise nach Mekka). Teilweise drohen in einigen Ländern bei Nichtbeachtung des Fastengebots Bestrafungen durch die Justiz. Im Fastenmonat Ramadan, der jährlich neu nach dem Mondkalender festgelegt wird, dürfen Muslime tagsüber nichts essen und trinken und auch nicht rauchen und sich nicht sexuell betätigen.

Im Sommer muss der Fastende sehr früh aufstehen, um die Sahūr nicht zu verpassen. Das ist die letzte Mahlzeit vor Sonnenaufgang. Erst nach Sonnenuntergang darf die Iftār eingenommen werden. Dieses Essen findet täglich als familiäres Großereignis statt. Der Speiseplan beginnt mit drei Datteln, wonach eine Linsensuppe, die Fastensuppe (Harira) sowie eine Gemüseplatte gereicht wird. Der Nachtisch besteht aus allerhand Süßigkeiten. Vom Fasten ausgenommen sind Alte, Kranke, Schwangere und Reisende.

Heilfasten ersetzt das religiöse Fasten

Im christlichen Kulturkreis geht im 20. Jahrhundert der allgemeine Trend weg vom religiösen Fasten hin zum Fasten aus gesundheitlichen Gründen. Protagonist war der deutsche Arzt Otto Buchinger (1878 bis 1966). Sein Konzept vom Heilfasten entstand nach Erfahrungen am eigenen Leib. Die Methode sieht eine vollständige Darmentleerung vor, der sich eine Periode mit minimaler Nahrungsaufnahme anschließt. Dazu gehören Gemüsesuppen, Kräutertee und Haferflocken. Das Heilfasten nach Buchinger setzt eine ärztliche Untersuchung voraus, die sicherstellen soll, ob ein Kandidat das Fasten verträgt.

Trotz der „Säkularisierung“ des Fastens ist der historische Ursprung des modernen Heilfastens allerdings unübersehbar. Das medizinische Fasten (siehe auch u.a. Fasten bei Beschwerden und Krankheiten), ist eng mit dem religiösen Fasten verbunden. Früher waren Priester oft auch als Ärzte tätig und so für die Gesundheit von Körper und Seele verantwortlich.

(Heil)fasten aktueller denn je

Seit Jahrtausenden wurde versucht, uns durch Diätempfehlungen auf den Weg eines freiwilligen Verzichtes zu lenken. Doch leider beschert uns dieser Weg heute wegen Konsum und Genuss sowie “Lust ohne Last” das Problem des Übergewichts. Übergewicht und die damit verbundenen Zivilisationskrankheiten verdanken wir zum einen unseren heutigen ach so “hochwertigen” Getreidesorten, sowie dem Zucker, der in fast allen industriellen Lebensmittel-Produkten zu finden ist.

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Kleine Anmerkung: Die Sache mit den “5 Wundermitteln” ist mit Abstand der beliebteste Newsletter, den meine Patienten gerne lesen…

Beitragsbild: 123rf.com – Alexander Raths

Dieser Beitrag wurde letztmalig am 5.1.2024 überarbeitet.

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